NATO soll am Jahrestag des Angriffs für einen „Urknall“ sorgen – Eskalation kaum noch aufzuhalten.
Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Michael Anthony McFaul, US-amerikanischer Professor für Politikwissenschaften und von US-Präsident Barack Obama als Botschafter in Moskau (2012 -2014) eingesetzt, skizzierte in seinem jüngsten Artikel in der Hauspostille des „Council on Foreign Relations“ (CFR), wie der Durchbruch in der Ukraine zu schaffen sei. Eingangs stellt McFaul fest, dass der russische Präsident Wladimir Putin ein Jahr nach dem Einmarsch in die Ukraine keines seiner großen Ziele erreicht hat: die Ukraine wurde nicht "entnazifiziert" oder "entmilitarisiert" und die NATO-Erweiterung wurde nicht gestoppt. Anders dagegen das ukrainische Militär: „Es hat die russischen Truppen aus Kiew herausgehalten, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, Charkiw, verteidigt und im Herbst erfolgreiche Gegenoffensiven gestartet, so dass es Ende 2022 mehr als 50 Prozent des in diesem Jahr von russischen Soldaten eroberten Gebiets befreit hatte.“1) In seiner Lagebeurteilung unterschlug McFaul allerdings, dass russische Truppen immerhin 20 Prozent des ukrainischen Territoriums unter ihre Kontrolle brachten.
Dass derzeit die Ukraine so gut dasteht, ist nach McFaul dem entschlossenen Handeln des Westens zu verdanken: Die NATO verstärkte ihre Verteidigungsanlagen im Osten und lud Schweden sowie Finnland ein, dem Euro-Atlantischen Bündnis beizutreten; Europa gewährte mittlerweile etwa 8 Millionen ukrainischen Flüchtlingen Schutz und unter der Biden-Administration leistete der Westen insgesamt in erstaunlicher Geschwindigkeit massive militärische und wirtschaftliche Unterstützung. Der „kollektive Westen“ verhängte harte Sanktionen gegen den Agressor und leitete die „Abnabelung“ von der russischen Energieversorgung ein (eine interessante Sichtweise zum Terroranschlag auf die Erdgas-Pipelines Nord-Stream 1/2, dessen Folgen nun die EU und insbesondere Deutschland spüren). Alles das stimmt McFaul optimistisch, beunruhigt zeigt er sich jedoch darüber, dass der Krieg weitergeht und Putin keine Anzeichen zeigt, ihn beenden zu wollen, da er anscheinend glaubt, dass die Zeit für ihn arbeitet. Putin scheine zu hoffen, dass die westlichen Regierungen und Gesellschaften ihren Willen und ihr Interesse verlieren werden, der Ukraine weiterhin zu helfen. Und diese Hoffnung sei nicht ganz von der Hand zu weisen. McFaul verweist in diesem Zusammenhang auf den US-Fernsehmoderator Tucker Carlson auf Fox News. Wer dort die Proteste im letzten Herbst in Prag verfolgt habe, dem würde die Vermutung von Putin oder seiner Berater über die schwindende westliche Unterstützung durchaus realistisch erscheinen.
Es ist aber nicht nur Carlson, der kritisch über den Ukraine-Krieg berichtet. Inzwischen geht ein Aufschrei quer durch das politische Spektrum der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Kriegsfinanzierung. Die aktuellen Demonstrationen in den USA stellen dem Anschein nach eine radikale Abkehr von den Friedensbewegungen der letzten 40 Jahre dar. Der politische Diskurs hat die bisherigen Barrieren gesprengt. Der Diskurs wird von einer breiten Kräfte-Koalition von “links” bis “rechts” angeführt. Die „Peoples Party“, eine neu formierte progressive Partei, die aus der Unzufriedenheit mit den Kampagnen von Bernie Sanders und den nicht eingehaltenen Versprechen entstanden ist, sowie die „Libertarian Party“ haben die Führung übernommen...
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