Ob der chinesische 12-Punkte-Plan zur Beilegung der Ukraine-Krise umgesetzt wird, hängt vom Willen der Konfliktparteien ab. Der Kreml hält ihn für ausgewogen und wegweisend, Kiew bekundet Interesse, der Westen dagegen sieht in ihm keine Verhandlungsgrundlage. Doch auch ohne westliche Beteiligung ließen sich vertragliche Regelungen erzielen.
Ein Kommentar von Bernd Murawski.
Nach der Schlichtung des Konflikts zwischen dem Iran und Saudi-Arabien strebt die Pekinger Führung einen weiteren diplomatischen Erfolg an, indem sie sich als Vermittler im Ukraine-Krieg anbietet. Mit dem 12-Punkte-Plan hat sie ein Dokument vorgelegt, das die Komplexität des Konflikts hervorhebt. Aus den Forderungen geht unmissverständlich hervor, wer die Adressaten der chinesischen Kritik sind, auch wenn sie nicht explizit genannt werden. Der Vorwurf an Russland lautet, mit dem Einmarsch in die Ukraine das völkerrechtliche Gewaltverbot verletzt zu haben. Der Westen wird beschuldigt, gegen das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit verstoßen und dadurch die aktuelle Krisensituation herbeigeführt zu haben. Um seine aggressive Politik zu verschleiern, hätte er das Völkerrecht neu interpretiert, worauf sich Russland gegenwärtig beruft.
Die Reaktion der politischen Elite des Westens lässt keinen Zweifel daran, dass die chinesische Friedensinitiative unerwünscht ist. Ein Entgegenkommen, etwa bei der Schaffung einer europäischen Sicherheitsarchitektur oder der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen, ist folglich nicht zu erwarten. Dagegen hat sich die Kiewer Führung offen gezeigt. Würde es zu Verhandlungen kommen, dann dürfte sich der Teilnehmerkreis auf Russland und die Ukraine beschränken.
Sollte ein Friedensabkommen erzielt werden, würde sich der Druck auf die westlichen Staaten deutlich erhöhen. Insbesondere wären sie aufgefordert, zum ursprünglichen Völkerrechtsverständnis zurückzukehren. Unterbleiben müssten die Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Länder (Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Venezuela, China), der fragwürdige Anspruch auf präventive Selbstverteidigung (Afghanistan, Irak), humanitäre Interventionen (Jugoslawien, Libyen) und Wirtschaftssanktionen (Iran, Syrien, Russland). Anstatt sich auf Werte und seine regelbasierte Ordnung zu berufen, müsste der Westen die Multipolarität der Welt akzeptieren. Sollte er weiter arrogant und eigenmächtig handeln, würde er sich zunehmend isolieren. Dadurch wäre aber seine globale Dominanz ernsthaft gefährdet.
Elemente eines Vertrags zur Beendigung der Kriegshandlungen
Eine Unterstützung der chinesischen Initiative liegt augenscheinlich nicht im westlichen Interesse, erst recht nicht eine Teilnahme an Verhandlungen. Ein umfassendes Abkommen, das Zusagen und Verpflichtungen der NATO-Staaten beinhaltet, wird es daher nicht geben. Zentrale russische Forderungen, die auch Chinas 12-Punkte-Plan erhebt, würden somit unerfüllt bleiben. Übrig wäre das erste Postulat im Text, die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität von Staaten. Obwohl damit einseitige Zugeständnisse von Russland verlangt würden, erscheint eine Verhandlungslösung durchaus möglich. Welche Bestimmungen das Vertragswerk enthalten müsste, wird in den folgenden neun Punkten ausgeführt.
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