Ein Mann in mittleren Jahren versucht, mit dem Verschwinden seines Vaters zurechtzukommen. Vermutlich hat der sich das Leben genommen, jedenfalls zeigen die Spuren ins eiskalte Wasser im schwedischen Norden. Aber erst einmal herrscht Ungewissheit. In denselben Wochen wird der Ich-Erzähler zum ersten Mal Vater, hält die kleine Tochter im Arm und versucht zu ergründen, warum in der Generation über ihm das Leben verschwindet, während eine Generation unter ihm neues entsteht: Was haben der Tod des Vaters und die Geburt der Tochter über ihn, den Menschen in der Mitte, zu sagen?
In knappen, präzisen Sätzen umkreist der schwedische Verleger und Autor Daniel Pedersen, Jahrgang 1978, in seinem Prosadebüt den Bewusstseinszustand eines Mannes in einer Ausnahmesituation. Er denkt über die Trauer nach und was sie mit dem „Sehen“ der Wahrheit eines anderes zu tun hat, durchläuft in Gedanken einige Stationen der eigenen Familiengeschichte und versucht, das Besondere seiner Situation genau zu erfassen, zwischen Verlust und Liebe, Dunkelheit und Licht, aufmerksam für die feinsten Regungen des eigenen Bewusstseins, das sich plötzlich vor eine ganz neue Herausforderung gestellt sieht.
Im Gespräch mit dem Übersetzer Hannes Langendörfer werfe ich ein wenig Licht auf dieses Buch und seinen Autor. „Dann erst nimmt man die Anwesenheit eines Menschen vollends wahr“, heißt es, als der Sohn das Haus des Vaters ausräumen muss. „Die Spuren, die er in seinen Sachen hinterlässt. Und dass die Gegenstände in dem Sinn etwas von dem Menschen weitertragen, weil ein anderer Mensch andere Spuren hinterlassen hätte. Darum ist die Trauer ein Sehen.“
„Offenes Wasser“ von Daniel Pedersen, aus dem Schwedischen übersetzt von Hannes Langendörfer, ist erschienen im Suhrkamp Verlag, hat 111 Seiten und kostet 18 Euro.
Uns gibt’s auch zum Lesen: Finden Sie hier Ihr passendes F.A.Z.-Abo.
Mehr über die Angebote unserer Werbepartner finden Sie HIER.