Die Jazz-Baroness - ein Leben für die Musik. Pannonica de Koenigswarter war eine wichtige Mentorin und Schutzpatronin für zahlreiche Jazz-Musiker der 1950er und 1960er Jahre. Für ihre Leidenschaft brach sie, eine geborene Rothschild, mit allen Konventionen. Autor: Georg Gruber
Credits
Autor dieser Folge: Georg Gruber
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Katja Bürkle, Johannes Hitzelberger, Julia Cortis, Gudrun Skupin
Technik: Roland Böhm
Redaktion: Nicole Ruchlak
Literaturtipps:
Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness. Das Leben der Nica Rothschild, Berlin Verlag 2013.
David Kastin, Nica’s Dream: The Life and Legend of the Jazz Baroness, Norton & Company 2011.
Pannonica de Koenigswarter, Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche, Reclam Verlag 2007.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Musik 1: „Pannonica“ / Monk, aus Film „Straight no chaser“
Thelonious Monk: Hi everybody! I would like to play a little tune, I composed not so long ago, entitled “Panonnica”.
Zitator OV: Ich möchte jetzt ein Stück spielen, das ich vor kurzem erst komponiert habe, mit dem Titel: „Pannonica“. Benannt nach dieser wunderschönen Lady hier.
TM: It was named after this beautiful lady here. I think her father gave her that name, after a butterfly,
Zitator OV: Ich glaube, ihr Vater gab ihr den Namen nach einem Schmetterling, den er fangen wollte – was ihm, glaube ich, nicht gelang.
TM: that he tried to catch. I don’t think he caught the butterfly.
Erzählerin
Der Pianist Thelonious Monk ist einer der Väter des Bebop, ein brillanter Musiker - und ein Exzentriker. Panonnica de Koenigswarter stammt aus einem wohlhabenden britischen Elternhaus und ist eine geborene Rothschild. Und für sie ist Monk ein Genie.
Musik / Pannonica hoch
Erzählerin
Zwei Welten treffen hier aufeinander, die Welt des Jazz und die des alten Europa. Für ihre Liebe zum Jazz bricht die Baroness in den 1950er Jahren mit allen Konventionen, auch mit ihrer Familie. In ihrer Suite in einem New Yorker Nobelhotel treffen sich die wichtigsten Jazzmusiker jener Zeit zu gemeinsamen Jam-Sessions. Sie ist Schutzpatronin, Förderin und Mäzenin vieler Jazz-Musiker jener Zeit.
Musik 2: Etude-Caprice für Violine und Klavier
Erzählerin
Geboren wurde Kathleen Annie Pannonica am 10. Dezember 1913 in einem Londoner Stadthaus der Familie Rothschild. Ihr Vater Charles ist Bankier, doch seine wahre Leidenschaft gilt der Natur, besonders den Insekten. Schon in seiner Jugendzeit hatte er begonnen, Schmetterlinge zu fangen und zu archivieren. In seiner Sammlung befindet sich auch ein auf den ersten Blick unscheinbarer Nachtfalter, den er in Ungarn entdeckt hatte. Sein Name: Pannonica. Erst wenn er die Flügel öffnet, sind seine zitronengelben Flächen zu sehen. Ein passender Name, so als hätte der Vater schon bei Geburt seiner Tochter gewusst, dass sie besonders nachts aktiv ist und sich erst dann zu ganzer Schönheit entfaltet.
Musik hoch
Erzählerin
Nica und ihre drei Geschwister verbringen die meiste Zeit ihrer Kindheit auf den herrschaftlichen Landsitzen, Tag und Nacht sind sie dabei umgeben von einer Heerschar von Kinderfrauen, Hauslehrern, Dienern, Chauffeuren, Gärtnern und Stallburschen. Die Mädchen werden von Privatlehrern unterrichtet, ihr Bruder Victor geht auf ein Internat.
Zitatorin 2, Zitat aus Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness. Das Leben der Nica Rothschild, Berlin Verlag 2013, S. 51
„Zu Mittag aßen die Mädchen im Kinderzimmer und durften erst im Alter von sechzehn Jahren das Abendessen gemeinsam mit den Eltern einnehmen.“
Erzählerin
Schreibt Hannah Rothschild in ihrer Biografie „Die Jazz Baroness. Das Leben der Nica Rothschild“ über den Tagesablauf, der einer strengen Routine folgt.
Zitatorin 2, Zitat aus Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S. 51
„Jeden Morgen zu genau der gleichen Zeit wurden die Kinder zu einem Spaziergang durch den Park geführt. Rennen und Versteck spielen waren verboten, damit die Kinder nicht ihre weißen Kleider schmutzig machten oder sich verliefen.“
Musik 3: Blumine. Polka
Erzählerin
Die Rothschilds sind damals überaus wohlhabend und Teil der besseren Gesellschaft. Sie veranstalten prächtige Feste, Bälle, Mittag- und Abendessen für mehrere Hundert geladene Gäste, darunter Politiker, wie Winston Churchill, Wissenschaftler, Künstler und Könige, sogar die Königin Viktoria und der Schah von Persien sind zu Gast. Auch Albert Einstein soll zu Besuch gewesen sein und die Kinder mit Zauberkunststücken unterhalten haben.
Doch es ist keine ungetrübte Kindheit: Nicas Vater leidet an Depressionen, woran auch lange Kuraufenthalte nichts ändern können, immer wieder zieht er sich zurück, ist nicht ansprechbar. Die Eltern verbringen viel Zeit in London, während die Kinder auf dem Lande bleiben.
Zitatorin 2, Zitat aus Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S. 60
„Wenn Nica später sagte: „Meine einzigen Freunde waren Pferde“, so war das die Wahrheit. Ihre Kindheit war materieller Luxus in Verbindung mit seelischer Vernachlässigung. Eine Rothschild-Cousine, die Nica als Kind kannte, sagte, dass sie immer wilder wurde. Wenn es einen besonders hohen Baum zu erklettern galt, tat es Nica; war ein besonders hoher Zaun zu überspringen, lenkte Nica unweigerlich ihr Pferd in dessen Richtung.“
Erzählerin
1923 nimmt sich der Vater das Leben. Nica und ihre Schwestern sind mit ihrer Trauer alleine, eine prägende Erfahrung, denn sie haben niemanden, dem sie ihren Kummer mitteilen können, wie Hannah Rothschild schreibt.
Zitatorin 2, Zitat aus Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S. 98
„Nica fand schon in früher Jugend heraus, dass die Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse und der natürlichen Vitalität zu schrecklichen Formen der Selbstzerstörung führt. Das war einer der Gründe, warum sie als Erwachsene später unter keinen Umständen in einem Leben gefangen sein wollte, das sie unglücklich machte.“
Musik 4: Strawinsky „ Sonate für 2 Klaviere“ 3. Satz
- SC011520 010 – 1:03 Min
Erzählerin
Mit 16 Jahren entkommt Nica zum ersten Mal der abgeschotteten Enge der herrschaftlichen Landsitze, als sie mit ihrer älteren Schwester auf ein Internat in Paris geschickt wird. Danach reisen die beiden ein Jahr lang durch Europa, begleitet von einer Gouvernante, einem Chauffeur und einem Dienstmädchen. In dieser Zeit besucht Nica auch für kurze Zeit die Kunstakademie in München. Zurück in London tanzt sie auf Debütantinnenbällen, lernt von ihrem Bruder Autofahren und stürzt sich ins vornehme Nachtleben. Mit 21 Jahren bringt ihr ein befreundeter Musiker sogar das Fliegen bei.
Im Sommer 1935 lernt sie den zehn Jahre älteren Baron Jules de Koenigswarter kennen, auch er ein begeisterter Flieger. Ein paar Monate später heiraten sie in New York, worüber sogar die New York Times berichtet:
Sprecher, Zitat aus New York Times
„Miss Rothchild Marries Here“
Erzählerin
Danach begibt sich das frischvermählte Brautpaar auf Weltreise, inklusive einer Bruchlandung mit dem Flugzeug in der Wüste Gobi. Seit der Hochzeit hat Nica auch selbst ein Flugzeug, ein Geschenk ihres Bruders Victor.
Das Paar zieht nach Frankreich, in ein Schloss in der Normandie, palastartig und weitläufig, umgeben von 80 Hektar künstlich angelegter Landschaft, mit Wäldchen und Fahrwegen.
Doch das herrschaftliche Leben hat mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ein Ende. Jules meldet sich beim französischen Militär, Nica bleibt auf dem Schloss. Und flieht im letzten Moment mit ihren Kindern vor den einmarschierenden deutschen Truppen zuerst nach England, dann in die USA, wo sie von der Familie Guggenheim aufgenommen werden.
Musik 5: Hindemith: Sonate für Violoncello solo
Erzählerin
Doch Nica hält es nicht lange in den USA. Sie kehrt zurück nach Europa und schließt sich den Freien Französischen Streitkräften an, die an verschiedenen Fronten gegen Deutschland kämpfen. Die Baroness schlägt sich auf eigene Faust zu ihrem Mann durch, der in Afrika stationiert ist. Sie wird als Übersetzerin, Entschlüsslerin, Rundfunksprecherin und Fahrerin eingesetzt - und soll sogar selbst Lancasterbomber geflogen haben.
Nach Kriegsende werden beide, Jules und Nica, für ihre Verdienste um die Befreiung Frankreichs ausgezeichnet. Aber der Krieg hat das alte Europa zerstört, auch vom Landsitz in der Normandie ist nicht mehr viel übrig. Das herrschaftliche Leben und seine vorgegebenen Regeln sind Vergangenheit.
Zitatorin 2, Zitat aus Hannah Rothschild, Die Jazz-Baroness, S. 163
„Für Nica war der Krieg ein persönlicher Wendepunkt“
Erzählerin
Glaubt Hannah Rothschild, ihre Biographin.
Zitatorin 2, Zitat aus Hannah Rothschild, Die Jazz-Baroness, S. 163
„Mit zweiunddreissig Jahren war sie endlich frei und hatte ein anderes Leben kennengelernt.“
Musik 6: Duke Ellington, Black, Brown and Beige
Erzählerin
Ihr Interesse für Musik beginnt schon in der Kindheit. Ihr Bruder Victor nimmt Klavierunterricht bei Teddy Wilson, einem der wichtigsten Jazz-Pianisten der 30er und 40er Jahre – und Nica lässt sich von seiner Jazzbegeisterung anstecken. Und dann passiert es: Sie hört zwei Stücke und ihr Leben wird nicht mehr sein wie davor.
Musik hoch
Erzählerin
Das eine ist Duke Ellingtons Sinfonie „Black, Brown and Beige“, die 1943 in New York uraufgeführt wird. Nica hört eine Plattenaufnahme in Mexiko, wo sie zu jener Zeit lebt, weil ihr Mann dort nach dem Zweiten Weltkrieg als Diplomat arbeitet.
Zitatorin 1, Pannonica de Koenigswarter, nach Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S. 177
„Ich empfing die Botschaft, dass ich dort hingehörte, wo diese Musik gemacht wurde.“
Erzählerin
Erinnert sich Nica später an diesen Moment.
Zitatorin 1, Pannonica de Koenigswarter, nach Hannah Rothschild, Jazz Baroness, S. 177
„Da war etwas, was ich einfach tun musste. In irgendeiner Form musste ich daran teilhaben. Das war eine vollkommen unmissverständliche Botschaft. Wenig später packte ich meine Koffer. Es war eine echte Berufung. Sehr seltsam.“
Musik 7: Thelonious Monk: „Round Midnight“
Erzählerin
1948 oder 49 reist Nica nach New York. Dort besucht sie, schon auf dem Rückweg zum Flughafen Teddy Wilson, jenen Jazzmusiker, der Klavierlehrer ihres Bruders gewesen war. Er fragt sie, ob sie schon „Round Midnight“ gehört habe, die erste Platte eines jungen Pianisten, sein Name: Thelonious Monk.
Zitatorin 1, Pannonica de Koenigswarter, nach Hannah Rothschild, Die Jazz-Baroness, S. 177
„Ich mochte meinen Ohren nicht trauen. Ich hatte noch nie etwas Ähnliches gehört. Ich muss das Stück zwanzigmal hintereinander abgespielt haben. Verpasste meinen Flieger.“
Erzählerin
Der endgültige Wendepunkt in ihrem Leben. Sie beschließt, nach New York zu ziehen – und sie beschließt, dass sie jenen Ausnahmemusiker unbedingt kennen lernen muss. Von ihrem Mann hatte sie sich zu diesem Zeitpunkt schon länger entfremdet.
Zitatorin 1, Pannonica de Koenigswarter, nach Hannah Rothschild, Die Jazz-Baroness, S 166
„Unsere Ehe ist gescheitert (…) weil mein Mann Marschmusik mochte und meine Schallplatten zerbrach, wenn ich zu spät zum Dinner kam. Und ich kam oft zu spät zum Dinner.“
Erzählerin
Ihre Tochter Janka, ein Teenager, geht mit ihr, sie beziehen eine großzügige Suite im vornehmen Stanhope Hotel am Rand des Central Park, mitten in der Stadt. Die anderen vier Kinder bleiben beim Vater - Nica ist bereit, sehr viel aufzugeben, um ihren Traum zu leben.
Musik 8: „Bloomdido“
Erzählerin
New York ist in den 40er und 50er Jahren die Jazzmetropole, hier treffen sich die kreativsten und innovativsten Musiker. Thelonious Monk gehört damals neben dem Saxophonisten Charlie Parker und dem Trompeter Dizzy Gillespie zu den wichtigen Erneuerern des Jazz. Doch als Nica nach New York zieht, hat Monk ein Auftrittsverbot in der Stadt, wegen eines Drogendelikts. Deswegen lernt sie ihn erst 1954 in Paris kennen, nach einem Konzert, für das sie extra nach Frankreich reist. Sie mögen sich von Anfang an, so erzählt es Nica später.
Musik 9: Monk’s Point, Thelonious Monk, von der CD Solo Monk
Erzählerin
Die beiden haben bis zu seinem Tod 1982 eine sehr enge und besondere Beziehung. Sie sind kein Liebespaar, sondern Freunde, auch Monks Frau Nellie sieht in ihr keine Rivalin, so erzählt es zumindest Monks Sohn Toot:
Zitator Toot Monk, nach Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S 221
“Ich weiß nicht, ob sie darüber gesprochen haben oder nicht, aber sie beschlossen für ihn zu sorgen. Sie teilten sich die Aufgabe.“
Erzählerin
Thelonious Monk leidet an Stimmungsschwankungen und an Depressionen. Nimmt Drogen und Alkohol. Immer wieder ist er im Laufe seines Lebens zur Behandlung im Krankenhaus oder in der Psychiatrie und bekommt Medikamente. Nellie und Nica kümmern sich gemeinsam um ihn, um seinen Alltag, um seine Ernährung, begleiten ihn auch auf seinen Tourneen.
Zitator Toot Monk, nach Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S. 221
“Seit ich acht oder neun war, hatte ich eine Familie, die aus mir, meiner Mutter, meinem Vater, meiner Schwester und Nica bestand.“
Erzählerin
Nica hilft Monk auch, seine „Cabaret Card“ wieder zu bekommen, die er braucht, um in New York auftreten zu können. Und sie unterstützt den Pianisten finanziell, denn von der Musik kann Monk seine Familie lange nicht ernähren. Als seine Wohnung abbrennt, nimmt sie sogar die ganze Familie vorübergehend bei sich auf.
Doch Monk und Pannonica, der Exzentriker und die vornehme Dame aus der besseren Gesellschaft, verbindet weit mehr als ihr Geld.
2. O-Ton aus Kalenderblatt, DLF, 10.12.2013, Jazzmäzenin Pannonica de Koenigswarter geboren, Autor: Karl Lippegaus
Englisch (T. Monk nicht genau zu verstehen)
Overvoice (schon vorhanden): „Sie ist eine Rothschild. Ja, ihre Familie hat den englischen König mit Kohle versorgt, damit er Napoleon schlagen konnte. Ich sage allen wer Du bist! Ich bin stolz auf Dich.“
Monk: “She is a billionair”
Erzählerin
Für Monk sei es entscheidend gewesen, dass sie seine Musik liebte, sagt sein Sohn:
Zitator Toot Monk, nach Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S. 224
“Nica war da, als die Kritiker seine Musik nicht verstanden und als die Hälfte der Musiker sie nicht verstanden. Aber sie verstand sie, und das war sehr wichtig für ihn. Deshalb liebte er sie.“
Musik 10: Monk: „Ba-lue Bolivar Ba-lues“
Erzählerin
In New York taucht Nica in das Nachtleben ein, besucht jeden Abend die angesagten Jazz-Clubs der Stadt.
Zitatorin 2 Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S 195
„Während der nächsten 30 Jahre veränderte sich Nicas Lebensweise kaum.“
Erzählerin
Schreibt ihre Biografin Hannah Rothschild.
Zitatorin 2, Hannah Rothschild, Jazz Baroness, S 195
„Sie hörte den Jazz nicht, sie lebte ihn. Sie stand erst auf, wenn es dunkel wurde. Sie ignorierte das Tageslicht, behandelte es mit äußerster Verachtung. Wie die Motte, nach der sie benannt worden war, erwachte sie erst in der Dämmerung zum Leben.“
Erzählerin
Ihre Suite im Stanhope Hotel wird zum Treffpunkt der Jazzszene, nach den Konzerten in den Clubs geht es dort weiter bis in die frühen Morgenstunden. Zum wachsenden Missfallen der Geschäftsführung. Im März 1955 gerät die Jazz-Baroness dann ungewollt in die Schlagzeilen.
Zitator Daily Mirror
„Bop King Dies in Heiress‘ Flat“ - König des Bebop stirbt in Appartement von reicher Erbin
Erzählerin
Charlie Parker hatte bei ihr Zuflucht gesucht, körperlich am Ende, ausgezehrt von Drogen und Alkohol. Der Saxophonist war auf der Suche nach einem Ort, um sich auszuruhen. Und stirbt vor dem Fernseher in ihrer Suite. Ein tragischer Tod, der ihrem Ruf schadet und für Entsetzen nicht nur bei der Familie in Europa sorgt, sondern auch bei der Geschäftsleitung des Hotels. Pannonica de Koenigswarter in einem ihrer seltenen Interviews:
3. O-Ton Pannonica de Koenigswarter, aus Zeitzeichen, WDR, 17. Februar 1982 – Todestag des Jazzmusikers Thelonious Monk, Autor: Niklas Rudoph
Pannonica: I have been living in the Stanhope
Overvoice (schon vorhanden): „Ich habe in einem Hotel gelebt, aber als Charlie Parker dort gestorben war, haben sie mich rausgeschmissen. Also bin ich an den Boulevard gezogen, wo ich mir ein Klavier zugelegt habe. Das war der Punkt, an dem Thelonious und die anderen Musiker ständig bei mir waren und großartige Jam-Sessions spielten. Bis acht Uhr morgens.“
Pannonica: Til eight or nine the next morning
MUSIK 11: “Nutty” von Thelonious Monk
Erzählerin
Über den damals alltäglichen Rassismus setzt sie sich hinweg.
Manche Jazzmusiker begegnen ihr anfangs mit Skepsis. Auch der Lyriker, Autor und Aktivist Amiri Baraka äußert sich kritisch:
Zitator Amiri Baraka, nach Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, S 279
„Sie war eine wohlhabende Dilettantin, ein Groupie. Das Freundlichste, was ich über sie sagen kann, ist: Sie war eine Frau, die das nötige Kleingeld hatte, um dort zu sein, wo sie sein wollte, und das zu tun, was sie tun wollte.“
Musik 12: Art Blakey:
„Weehawken mad pad“
Erzählerin
Doch für viele Musiker, die oft in prekären Verhältnissen leben, ist sie der unerwartet auftauchende gute Engel: Sie zahlt dem einen die Miete, als er knapp bei Kasse ist, füllt einem anderen den Kühlschrank, als er krank ist, und holt für einen Dritten sein Instrument aus dem Pfandhaus. Sie übernimmt sogar die Kosten für würdige Begräbnisse. Geld spielt für sie keine Rolle. Monk kauft sie einen Buick, sein erstes Auto überhaupt, dem Schlagzeuger Art Blakey einen Cadillac und Anzüge für die Musiker seiner Band. Und sie versucht sich sogar kurzzeitig als seine Managerin.
Musik hoch
Erzählerin
Nica selbst malt und fotografiert, macht Aufnahmen von den wichtigsten Jazzmusikern jener Zeit, die bei ihr ein und ausgehen.
Aufnahmen, die sie als Buch veröffentlichen möchte, zusammen mit den Antworten der Musiker auf die Frage, was sie sich wünschen würden, wenn sie drei Wünsche frei hätten. Ein Plan, den erst ihre Nichte Nadine de Koenigswarter umsetzen kann, Jahre nach Nicas Tod.
MUSIK hoch
ERZÄHLERIN
Nica kauft sich sogar ein Tonbandgerät, um Konzerte und Jam-Sessions zu dokumentieren. Die Fotos, die die Jazz Baroness macht, zeigen die große Nähe zwischen ihr und den Musikern. Um keinen Ärger mehr in Luxushotels zu haben, kauft sie sich schließlich ein Haus, das sich der Filmregisseur Josef von Sternberg zehn Jahre zuvor hatte bauen lassen. Ein kreativer Ort für sie und ihre Musikerfreunde, zum Ausruhen, Üben, Jammen – und Tischtennis-Spielen. Thelonious Monk tauft es „Catsville“ und später „Cathouse“. „Cats“ so nennen sich damals Jazz-Musiker gegenseitig, der Name passt aber auch wegen der großen Anzahl von Katzen, die dort mit Nica leben und sich stetig vermehren, über 120 sollen es gewesen sein.
Musik 13: Thelonica, Tommy Flanagan (Piano Solo)
Erzählerin
Anfang der 70er Jahre nimmt sie Thelonious Monk, der sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht, ganz bei sich im Cathouse auf – in Sorge um seine körperliche und psychische Gesundheit. Er hat dort ein eigenes Zimmer und seine Frau Nellie kommt ihn fast täglich besuchen. Es gibt Tage, an denen er überhaupt nicht spricht und auch an den Flügel setzt er sich nur noch selten. 1982 stirbt er mit 64 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. 1986 erinnert Nica in einem Zeitungsartikel an ihren langjährigen Freund und schreibt dabei indirekt auch über sich selbst: Thelonious Monk habe Lebenswege verändern und wunderbarerweise nach allen Seiten hin öffnen können. Und er habe, so schreibt sie, die Kraft gehabt, dich ins Herz der Unendlichkeit der Musik hineinzuversetzen.
Musik 14 „Round Midnight“, Thelonious Monk
Erzählerin
Pannonica de Koenigswarter, die Jazz Baroness, stirbt am 30. November 1988 in New York in einem Krankenhaus an Herzversagen, wenige Tage vor ihrem 75. Geburtstag. Ihr letzter Wunsch: Ihre Asche solle in der Nähe ihres Hauses gegen Mitternacht – also Round Midnight - in den Hudson River gestreut werden.
Musik aus.