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Ein großes Theater - Die Geschichte des Bolschoi in Moskau

23 min • 5 november 2024

Es gibt nur wenige Orte in der russischen Hauptstadt, die so symbolisch aufgeladen und so eng mit der Geschichte Russlands und dem Geist Moskaus verbunden sind, wie das Bolschoi-Theater. Das klassizistische Gebäude wie das darin beherbergte Ensemble und seine Kunst blicken auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Von Julia Smilga.

Credits
Autorin dieser Folge: Julia Smilga
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Andreas Neumann, Rahel Comtesse, Julia Fischer
Technik: Ursula Kirstein
Redaktion:Karin Becker

Im Interview:
Alexei Parin, Musikwissenschaftler, Opernkritiker
Ekaterina Belowa, Professorin für Choreografie und Ballettstudien an der Staatlichen Akademie für Choreographie in Moskau

Literaturtipps:
„Galina“ von Galina Wischnewskaja, Gustav Lübbe Verlag ISBN: 3-7857-0433-X
„Ich, Maija“ von Maija Plissezkaja, Gustav Lübbe Verlag  ISBN: 978-3785707746

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK 1 ( Tschaikowsky: Schwanensee; Orchester des Bolschoi-Theaters, Alexander Vedernikov 1‘11)

OTon 01 Parin deutsch 

Für mich persönlich ist Bolschoi Theater wirklich ein Symbol von Moskau, ein Symbol von russischer Kunst. Und natürlich Bolschoi-Theater steht so fantastisch in unserer Stadt bis jetzt, dass wir, wenn wir vorbeigehen und wenn wir das Gebäude sehen. Wir verstehen sofort, das ist wirklich eines der größten Theatergebäuden in der Welt. eigentlich la Scala ist ein bisschen größer. Bolschoi-Theater ist zweiter von Größe. 

Sprecher: 

Der Moskauer Musikwissenschaftler und Opernkritiker Alexei Parin kennt das Bolschoi Theater seit seiner frühesten Kindheit. Der 80 - jährige erinnert sich gerne an seinen ersten Besuch vor 75 Jahren – die Oper „Ruslan und Ludmila“ von Michail Glinka hat den 5 - jährigen fasziniert und ihm die Liebe zur Musik und zu diesem Theater für immer „eingeimpft“, wie Parin sagt. Die Größe des Theaterraums lässt sich erst erahnen, wenn man ganz oben steht.

OTon 02 Parin deutsch 

Wenn ich meine Enkelkinder ins Bolschoi-Theater zum ersten Mal bringe. Wir müssen unbedingt zum vierten Rang gehen, und dann dort stehen und sehen, dass Bolschoi-Theater so groß ist wie ein großes Gebäude. 

MUSIK 2 ( Michail Glinka: Ouvertüre „Ruslan und Ludmilla“, Walerjan Schirkow 0‘33)

Sprecher: 

Das beeindruckende Gebäude im klassizistischen Stil mit seinem Vorbau mit acht ionischen Säulen und einer Quadriga, also einem antiken Viergespann auf dem Dach, weckt Erinnerungen an längst vergangene, glanzvolle Zeiten. Der Hauptsaal mit Platz für rund 2000 Zuschauer ist mit vergoldetem Stuck und rotem Samt ausgekleidet, die ihm speziellen Glanz und Feierlichkeit verleihen. Hier fanden die Welturaufführungen zahlreicher berühmter Opern russischer Komponisten statt. Peter Tschaikowsky und Sergej Rachmaninow dirigierten hier selbst die Premieren ihrer Opern. Aber auch in der sowjetischen Geschichte spielte das Bolschoi Theater eine zentrale Rolle: hier fanden die Allrussischen Sowjetkongresse und die Sitzungen des Zentralen Exekutivkomitees in der jungen Sowjetrepublik in den 1920er Jahren statt. Auch die Gründung eines neuen Staates – der UdSSR – wurde am 30. Dezember 1922 von der Bühne des Bolschoi-Theaters durch keinen geringeren als Wladimir Lenin verkündet.

Oton 03 Parin deutsch 

Bolschoi-Theater: als Gebäude, als Theater, das ist natürlich Symbol von Imperium – eigentlich alle Festsitzungen, alle Jubiläen wurden gefeiert im Bolschoi-Theater, Bolschoi-Theater in meiner Kindheit, in meiner Jugend das war natürlich der Platz, wo alle diese Sitzungen stattfanden. Und das bleibt in meiner Seele, bis jetzt, also wenn ich Bolschoi-Theater besuche. Ja, also, das ist so groß und prächtig und alles Mögliche, dass ich sofort in unsrem Imperium mich verstehe.

MUSIK 3 ( Gluck: „Orfeo ed Euridice“, Münchner Rundfunkorchester, Bruno Weil 1’15)

Sprecher: 

Das Bolschoi Theater als Symbol des russischen Imperiums - ob es auch von der Zarin Katharina der Großen so gedacht war? Am 28. März 1776 gab Katharina die Große dem russischen Fürsten Urussow das Privileg, Vorführungen, Bälle und Maskeraden zu veranstalten und eine Theatertruppe zusammenzustellen. So gilt der 28. März 1776 als Geburtstag des Bolschoi Theaters in Moskau. Der Saal lag noch an anderer Stelle der Stadt als das heutige Bolschoi, mit seinen drei Logenetagen und einer Rotunde für besondere Besucher wurde er schnell zum kulturellen Zentrum Moskaus. Hier führten Leibeigene italienische komische Opern und Ballette auf. Auch einige erste russische Opern wurden hier gezeigt. Es gab auch eine Tanztruppe – sie bestand zunächst aus Moskauer Waisenkindern, die zuvor einer Tanzschule durchliefen. Diese Schule wurde nach dem Beispiel der bereits existierenden Sankt Petersburger Ballettschule des französischen Tänzers und Choreografen Jean-Baptiste Landé errichtet, erzählt Ekaterina Belowa. Sie ist Professorin für Choreografie und Ballettstudien an der Staatlichen Akademie für Choreographie in Moskau. 

OTon 04 Belova russ

Sprecherin OV 

1773 gilt als das Gründungsdatum der Moskauer Ballettschule, es war ein Erlass von Katharina der Großen. Sie hat, nachdem sie den Thron bestiegen hatte, schon 1763 einen Erlass herausgegeben, ein Bildungshaus in Moskau zu eröffnen, wo uneheliche Kinder, Waisenkinder unter 4 Jahren aufgenommen wurden. 00:08:35 - Sie wurden in verschiedenen Handwerken, Künsten, Zeichnen, Musik und eben Balletttanz unterrichtet. Und so wurde im Dezember 1773 der erste Tanzunterricht erteilt, und dies gilt als das Gründungsdatum der Moskauer Ballettschule, die letztes Jahr im Dezember ihr 250-jähriges Bestehen feierte.

Sprecher

Die berühmte Tradition des russischen Balletts ist wegen ihres tänzerischen Vorbilds, Jean-Baptiste Landé, in Wirklichkeit französisch, sagt Ekaterina Belowa. Doch während in Frankreich die Balletttradition nach der Französischen Revolution im 19. Jahrhundert fast zu Ende ging, wurde das klassische Ballett in Russland weiter bewahrt. Die Theatertruppen in Sankt Petersburg und Moskau wurden aus dem kaiserlichen Staatsbudget üppig finanziert. 

MUSIK 4 ( Rimskij-Korsakov: Die Zarenbraut, Ouvertüre 1‘00)

Sprecher

1856 wurde in der Nähe des ersten, mittlerweile abgebrannten Theaters des Fürsten Urussow ein neues Theater aufgebaut und „Bolschoi“ genannt - zu deutsch: Großes Theater, und auf seinem Spielplan standen nun hauptsächlich Opern- und Ballettaufführungen. Der Architekt Alberto Cavos, der vorher auch das legendäre Mariinskij Theater in St. Petersburg umgestaltet hatte, baute in Moskau das damals größte Theatergebäude der Welt, für etwa 2300 Zuschauer. Es war reich und aufwendig mit Kronleuchtern, himbeerrotem Samt und Gold dekoriert. Die Verwendung von Materialien wie Holz und Pappmaché verbesserte die akustischen Eigenschaften. Nach wie vor ist das Bolschoi Theater für seine Akustik berühmt. 

Bis zur Oktoberrevolution 1917 blieb jedoch das Bolschoi Theater stets im Schatten des Mariinskij Theater in Sankt Petersburg, erzählt der Opernkritiker Alexej Parin

OTon 05 Parin 

Selbstverständlich:  Sankt Petersburg war in dieser Zeit die Hauptstadt von Russland und deswegen alle wichtigste Premieren von russischen Opern inklusive Glinka und Rimsky-Korsakov und so weiter wurden in Sankt Petersburg. Moskau hat eigentlich in dieser Sache zweite Rolle gespielt. Nur Tschaikowsky war hier glücklich. Die erste öffentliche Produktion von Eugen Onegin auf der professionellen Bühne war in Moskau in Bolschoi-Theater. 

MUSIK 5 (Tschaikowsky: Eugen Onegin; Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons 0‘32)

Sprecher

1918 verlegte Wladimir Lenin die Hauptstadt des neuen bolschewistischen Russlands nach Moskau. Lenin forderte zunächst die Schließung und sogar den Abriss des Bolschoi-Theaters – die Oper sei keine Kunst des Proletariats, sondern der Bourgeoisie, die zu viel Geld koste. Erstaunlicherweise waren es das Mitglied des Zentralkomitees Joseph Stalin und der erste Kulturminister der Sowjetunion Anatolij Lunatscharskij, die sich für die Erhaltung des Bolschoi-Theaters einsetzten.

OTon 06 Parin 

Lenin war schon krank, es war im Jahre 1922 und deswegen diese Meinung von Lunatscharskij und Stalin war wichtiger als die Meinung von Lenin. Und dann ist Bolschoi Theater geblieben. 

Sprecher

Aber es brachen neue Zeiten an. Die Wirren der Revolution, Hunger und Not während des Bürgerkriegs zwangen viele Künstler zur Auswanderung aus dem so genannten „kommunistischen Paradies“. Beinahe die komplette Balletttruppe des Mariinskij Theaters ging ins Ausland, erzählt die Balletthistorikerin Ekaterina Belowa. In Moskau hingegen waren die meisten Tänzer und Tänzerinnen trotz der Schrecken der Revolution geblieben - und traten weiterhin im Bolschoi Theater auf. 

OTon 07 Belowa russ

Sprecherin OV 

Das Theater wurde nicht geheizt, es wurde kaum Gehalt bezahlt, es gab nichts zu essen. Laut der Erinnerungen von Zeitzeugen standen die Ballerinen im Winter in Pelzmänteln und Filzstiefeln hinter der Bühne - Nachdem die Ouvertüre erklungen war und ihr Auftritt kam, warfen sie ihre Pelzmäntel ab, stiegen aus den Filzstiefeln und flogen in Tutus mit nackten Armen und Schultern, trotz der Kälte, über die Bühne. Auch das Publikum veränderte sich natürlich sehr, statt adeliger Verehrer waren es nun Fabrikarbeiter, Soldaten, Matrosen, denen zuvor der Zugang zu den Theatern verwehrt war. Sie wussten natürlich nicht, wie sie sich verhalten sollten, machten Lärm, redeten, knackten während der Vorstellungen Sonnenblumenkerne… 

MUSIK 6 ( Reinhold Gliere: Roter Mohn 0‘22)

Sprecher

 In den Jahren um 1930 geriet das Theater zunehmend unter die Kontrolle der kommunistischen Behörden. Die Regierung forderte neue Opern und Ballette, mit Musik, die für die Massen verständlich war. Auf der Bühne wurde ein „großer Stil“ geschaffen: massiv, für das Publikum verständlich und historisch -realistisch. Das alte klassische Repertoire wurde inhaltlich überarbeitet. So kämpfte der Bauer Iwan Susanin, die Hauptfigur in Michail Glinkas Oper „Ein Leben für den Zaren“, nun nicht mehr für das Zarenhaus, sondern für das russische Vaterland…

OT 08 Parin deutsch: 

Ab 30er-Jahren. Das war Bau von sozialistischem Realismus. Man muss alles so echt historisch auf der Bühne bauen und spielen, und man musste auch die Opern von geringer Qualität, aber mit gutem Gehalt sozusagen im sozialistischen Sinne spielen.

Sprecher: 

Auch im Ballett versuchten Komponisten und Choreografen, Werke mit neuen, sozialistischen Inhalten auf die Bühne zu bringen. Nach dem Tod Wladimir Lenins 1924 konzentrierte sein Nachfolger Josef Stalin die gesamte Macht über die Sowjetunion in seinen Händen. Sein besonderes Augenmerk galt der sozialistischen Kunst. Das Bolschoi Theater wurde zu seinem kulturellen Stammplatz

MUSIK 7 ( Mussorskij: Boris Gudunow 1‘05)

Zitatorin Galina Wischnewskaja 

„Das Bolschoi Theater! Groß, monumental, einmalig… Ich trat dem Ensemble am Ende einer Epoche bei…“ 

Sprecher 

schreibt die Sopranistin Galina Wischnewskaja, in ihren Memoiren „Galina. Erinnerungen einer Primadonna“. 1952 trat die 25-jährige Operettensängerin nach einem Vorsingwettbewerb der Truppe des Bolschoi bei. Ein Jahr später würde Josef Stalin sterben. Doch als die junge Galina im Bolschoi zu singen begann, da war er noch da, hielt seine schützende Hand über das Theater, mischte sich gerne in künstlerische Interpretationsfragen ein… Galina Wischnewskaja erlebte eine einzigartige von Stalin geprägte Atmosphäre im Bolschoi: 

Zitatorin Galina Wischnewskaja 

„Das Bolschoi stand unter Stalins höchstpersönlichem Schutz (…) Finanzielle Schwierigkeiten hatte das Bolschoi nie gekannt. Wenn es um das eigene Prestige geht, scheute der Staat keine Kosten(..) Imperialistisches Theater! Während der Stalin Zeit genügte schon sein Name auf der Gästeliste, und schon drängten sich sämtliche Sänger und Sängerinnen nach einem Auftritt, ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit. 

Der Stammplatz von Stalin war die Loge A, die unmittelbar über dem Orchester und von der Bühne aus gesehen, auf der rechten Seite lag. Ein Vorhang verbarg ihn vor dem Publikum, doch zeigte schon die Menge der Leibwächter in Zivil, das dort kein anderer saß als ER. 

Ob Stalin die Musik liebte? Nein. Stalin liebte das Bolschoi, genoß seinen Glanz, seinen Pomp. Hier konnte er sich als Herrscher fühlen, hier genoß er seine Rolle als Hausherr und Patron der Künstler, seiner Leibeigener. Ihnen gegenüber zeigte er sich gern großzügig, in dem er- genau wie der Zar es getan hätte - die besten belohnte“

Sprecher 

Ein Lob konnte alles bedeuten: Gehaltserhöhung, neue Wohnung, neuer Titel des verdienten Künstlers. Aber auch mit Kritik geizte Stalin nicht – und wehe dem, der bei ihm in Ungnade fiel. Vom Parteiausschluss bis zu Arrest und Verbannung nach Sibirien - alles war möglich. 

MUSIK 8 ( Alexander Borodin: Fürst Igor 1‘00)

Sprecher: 

Nach Stalins Tod 1953 verloren die Künstler am Bolschoi peu à peu ihre Privilegien als „Hofmusiker“, ihre Gehälter schrumpften wieder, erzählt Galina Wischnewskaja, die übrigens später Frau des Cellisten und Dirigenten Mstislaw Rostropowitsch wurde. Das Bolschoi Theater blieb aber auch in der Zeit der Tauwetterpolitik von Nikita Chruschtschow in den 1950er und60-er Jahren eine wichtige Institution der sowjetischen Musikkultur. Zum einen begann der Austausch mit dem Westen. 1964 gastierte die Truppe der Mailänder Scala im Bolschoi und das russische Publikum konnte zum ersten Mal Opern von Verdi im Original auf Italienisch hören. In der Sowjetunion wurden ausländische Werke zuvor ausschließlich auf Russisch gesungen. Aber auch regelmäßige Gastspiele der Bolschoi Opern- und Balletttruppe seit Mitte der 1950-er Jahre im europäischen Ausland und in den USA riefen beim Theaterpublikum stets Begeisterung hervor. Gleichzeitig war das Bolschoi eine starke Propagandawaffe im Kampf zwischen zwei Systemen – des kommunistischen und des kapitalistischen. Hervorragende Stimmen, prachtvolle Bühnenbilder, einmalige Tanztechnik und ausdruckvolles Schauspiel der Moskauer Künstler fesselten die Zuschauer. Dafür liebte das einheimische Publikum sein Bolschoi Theater, sagt der Opernkritiker Alexei Parin. Auch wenn die Aufführungen manchmal altmodisch wirkten…

OTon 9 Parin 

Die traditionellen Opern wie Boris Godunow und Chowantschina und manche Opern von Rimsky-Korsakov, die Zarenbraut, Eugen Onegin und der Pik-Dame von Tschaikowsky - sie waren wirklich verstaubt. Das kann man sagen, das war sehr historisch auf der Bühne. Aber (…) unsere Sänger, die haben die Rollen so tief vorbereitet, dass wir in dieser verstaubten Situation doch das echte Leben empfanden. (..) Wir haben diese Rivalitäten und diese Liebe auf der Bühne mit den Sängern empfunden. Das war auch in diesen verstaubten Inszenierungen ein echtes Leben auf der Bühne

MUSIK 9 ( Aram Chatschaturjan: Nr. 2 aus: Suiote aus „Spartakus“ 0‘51)

Sprecher

Im Ballett hat der Choreograph Juri Grigorowitsch im Bolschoi eine Revolution vollführt, erzählt Ballettwissenschaftlerin Ekaterina Belowa. 30 Jahre lang, von 1964 bis 1994, leitete Juri Grigorowitsch die Balletttruppe des Bolschoi Theaters - und hat vor allem den männlichen Tanz in Russland völlig verändert. Der Ballettänzer wird bei ihm zur zentralen Figur. Vor allem im Ballett Spartakus von Aram Chatschaturian, das 1968 im Bolschoi Theater uraufgeführt wurde, kam das zur Geltung: 

 OTon 10 Belowa

Sprecherin OV 

Vor Grigrowitsch gab es keinen männlichen Tanz dieses Niveaus, er hat viele fliegende Sprünge eingeführt. Der Ballettänzer Vladimir Vassiliev musste in drei Sprüngen die gesamte Bühne des Bolschoi Theaters überfliegen, er hat sehr komplexe Drehungen eingeführt, (..) so einen virtuosen Tanz gab es vorher nicht, das männliche Corps de ballet, spazierte bis dato um die Bühne herum, und gab manchmal der Partnerin die Hand, unterstützte sie. Die Spartakusrolle war so schwierig, dass der Solist Vladimir Vasiliev bei jeder Aufführung mindestens zwei Kilo verlor, wie er sich selbst erinnerte … 

MUSIK 10 (Igor Strawinsky: Vorspiel aus: The Rake‘s Progress 0‘36)

Sprecher

Mit dem Beginn der Perestrojka Ende der 1980-er Jahre und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 begann eine widersprüchliche Zeit für das Bolschoi Theater. Einerseits endete die Staatsfinanzierung völlig, das Theater musste selbst das Geld verdienen, um die Truppe zu finanzieren - und das verarmte russische Publikum war dabei keine große Stütze. Andererseits gab es viel Freiheit: die ständige KGB – und Parteiaufsicht fiel weg und es begann eine fruchtbare Phase des intensiven Austauschs mit internationalen Opern und Balletthäusern, erzählt Alexei Parin: 

OTon 11 Parin 

Wir haben dann in dieser Zeit solche Inszenierungen wie Woyzeck, zum Beispiel mit ausländischen Sänger gemacht. die neuen Produktionen von Mozart, wo man auch sehr viele ausländische Sänger gehört haben - in dieser Zeit, wo der Bolschoi International wurde. Ich würde sagen das waren große Zeiten von guten Inszenierungen und vom internationalen Wechsel hier.

Sprecher

Bereits in den 80er Jahren war klar, dass das Theater von Grund auf saniert werden müsste. Das Gebäude war in einem katastrophalen Zustand, hatte tiefe Risse in den Wänden und drohte einzustürzen. Doch man wollte das Haupttheater der Sowjetunion nicht einfach schließen und entschied, zuerst eine Filiale zu bauen - die so genannte Neue Bühne des Bolschoi Theaters in Moskau in der Nähe der Hauptbühne. Diese wurde im Herbst 2005 wegen Sanierung geschlossen. Bei ihrer feierlichen Neueröffnung am 28. Oktober 2011 erstrahlte der originalgetreu nachgebaute Zuschauerraum in üppigem Gold und sattem Himbeerrot. Im Zuge der sechs Jahre lang andauernden Sanierung war nicht nur die Hauptbühne, sondern das komplette Gebäude des Bolschoi Theaters in Moskau renoviert, vergrößert und modernisiert worden. Nach offiziellen Angaben kostete der umfassende Umbau knapp 500 Millionen Euro.

MUSIK 11 ( Tschaikowsky: Der Nußknacker, Ouvertüre; Orchester des Bolschoi-Theaters, Alexander Vedernikov 1‘38)

Sprecher 

Nach wie vor ist das Bolschoi Theater die Bühne Nummer 1 in Russland. Für die legendären Aufführungen des Balletts „Der Nussknacker“ in der Weihnachtszeit stehen die Besucher durchaus eine Nacht lang vor dem Kartenschalter an, um die Chance haben, gleich nach Öffnung Tickets zu ergattern. 

Und natürlich steht das Bolschoi, das Symbol des Imperiums, nach wie vor im staatlichen Machtkontext, sagt Alexei Parin.

OTon 12 Alexei Parin deutsch

Von Säulen, von Bolschoi-Theater wir sehen Kreml. Und das ist nicht nur geografisch, das ist ideologisch bis jetzt, (..) Das bleibt in Verbindung. Und wenn man einen Direktor von Bolschoi-Theater nennt, wer nennt das - das nennt Kreml.

Sprecher

Trotz der engen Verbindung zu den russischen Machthabenden, für Alexei Parin bleibt das Bolschoi Theater vor allem der Geburtsort seiner Faszination für die Musik:

OTon 13 Alexei Parin 

Diese goldene Vergangenheit ist überall in diesem Bolschoi-Theater. Wir, wenn wir in Zuschauerraum kommen - wir fühlen, dass hier sehr lange schon gute Sachen gemacht waren. Das ist irgendwie in der Luft. Das bleibt in der Luft. 


 

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