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Surfen - Ein Sport und seine Geschichte

23 min • 24 april 2025

Surfen war für die Ureinwohner Hawaiis mehr als ein Freizeitvergnügen: Sich auf hölzernen Brettern Wind und Wellen auszuliefern, war für die Südsee-Insulaner gar eine Religion. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitet sich das Surfen weltweit. Von Lukas Grasberger

Credits
Autor dieser Folge: Lukas Grasberger
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Amberger, Christian Baumann
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Matze und Laura, Wellenreiter und Surftouristen aus Hannover; 
Prof. Sabine Kind, Professorin an der Deutschen Hochschule für Prävention 
und Gesundheitsmanagement, Saarbrücken und Surferin; 
Timo Sternemann, Diplom-Sportwissenschaftler, Surflehrer und Coach, Münster; 
Arthur Pauli, Pionier des Flusssurfens, Traunreut; 
Philip Köster, Windsurf-Weltmeister in der Disziplin „Wellenreiten“, Gran Canaria

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Atmo Wellen, Stimmen am Strand, darüber

Sprecher (Aussprache: „Si – ser“, Betonung auf erster Silbe)

Es ist ein sonniger, aber windiger Mittag am Cicer-Strand in Las Palmas auf Gran Canaria – einem der beliebtesten Surf-Spots Europas. Matze und seine Freundin Laura aus Hannover haben gerade ihre Wellenreit-Session beendet. Nun entspannt das Paar an der Strandpromenade in der Sonne, lässt den Surf-Tag Revue passieren – und sinniert über die Faszination, die das Surfen für sie im Allgemeinen und im Besonderen ausmacht.

O-Ton 1 Matze, Surfer aus Hannover

„Weil wir es einfach lieben, im Wasser zu sein, und Verbundenheit zur Natur zu spüren...Wir hatten schon sehr viele sehr schöne Momente, ich erinnere mich an einen Moment in Porto: Es hat leicht geregnet, und die Sonne kam alle paar Minuten doch ein bisschen raus. Und wir mitten im Wasser, und um uns keine Menschen. Also das sind diese fast meditativen Elemente, die mir das Surfen gibt.“ 

O-Ton 2 Laura, seine Freundin, ebenfalls Surferin

„Diese Kombination: Natur und Urlaub gleichzeitig, und auch Sport zu treiben...macht auf jeden Fall viel Spaß!“

Sprecher

Matze und Laura sind Surf-Touristen. Wann immer das Paar Urlaub hat, reist es dorthin, wo die Wellen am besten brechen, wo die Urgewalt des Meeres den Surfer oder die Surferin auf seinem Brett meterweit trägt. In Portugal waren sie schon, in Nordfrankreich - und jetzt in Las Palmas auf Gran Canaria. Und überall treffen Matze und Laura auf Gleichgesinnte: Längst ist eine internationale Surf-Community entstanden, die die Faszination für Meer, Wind und Wellen eint. 

Musik:  Inca Gold 0‘35

Sprecherin (Aussprache: Kabaiitos de Totora, Betonung auf den „i“)

Es ist indes kein neues Phänomen: Schon vor Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden wagten sich Menschen auf hölzernen Brettern oder auf einem Gefährt aus geflochtenem Schilf aufs Meer. Schon auf Keramiken der Vor-Inka-Zeit fand man Zeichnungen peruanischer Fischer, die auf Caballitos de Totora, auf „Schilf-Pferdchen“ über die Wellen ritten. Auch Höhlenmalereien aus Polynesien aus dem 12. Jahrhundert zeigen bereits, wie sich Vorreiter der heutigen Surfer auf dem offenen Meer bewegen.


O-Ton 3 Sabine Kind, Sportwissenschaftlerin und Surferin

„Ursprünglich sind die Polynesier und die Hawaiianer mit ihren Auslegerkanus rausgepaddelt, um halt zu fischen, quasi um ihre Nahrung aus dem Wasser zu holen….“

Sprecherin

….weiß Sabine Kind, Professorin für Sportwissenschaften, die zum Thema „Surfen“ promoviert hat.

Musik:  Ku’ulpolka 0‘30

 Sich in die oft meterhohen Wogen des pazifischen Ozeans zu wagen – das taten die Bewohner der Südsee-Inseln nicht nur zum Zweck des Nahrungserwerbs. Nachdem polynesische Seefahrer ihre Art, die Wellen auf einem Kanu, auf einer Planke oder einem Holzbrett zu reiten, nach Hawaii gebracht hatten, surfte man dort zum Freizeitvertreib. Das Surfen entwickelte sich so zur hawaiianischen Alltags-Kultur. 

O-Ton 4 Kind

„Also vergleichbar mit den Inuit, die ich weiß nicht, wie viele hundert Bezeichnungen für Schnee und Schneeflocken haben, also ist das in Hawaii damals gewesen, dass sie unglaublich viele Bezeichnungen für das Meer hatten (…), und in allen Gesellschaftsschichten wurde gesurft. (…) Es gab halt Strände, die waren nur den Häuptlingen und den Königen vorbehalten und es gab halt Strände, die der allgemeinen Bevölkerung vorbehalten waren. (...) da gab es dann bereits maßgefertigte Surfbretter, auch hier gab es eine klare Trennung: bestimmtes Holz nur für die Könige, für die Häuptlinge, also sehr hochwertiges Holz und sage jetzt einfach mal Holz, was vielleicht nicht ganz so hohe Qualität hatte, für die normale Bevölkerung.“

Sprecherin

Letztendlich, sagt Sabine Kind, gewann das Surfen auf Hawaii sogar religiösen Charakter.

O-Ton 5 Kind

„Das Meer hatte halt auch einen Götterstatus.(...)Es gibt kleine Tempel oder gab kleine Tempel, die halt auch errichtet worden sind, in denen dann um Wellen gebeten wurde, wenn keine Wellen da waren.(…) Da gab es dann Opfergaben in Form von Blumen, ich sage jetzt einfach mal Naturopfergaben: Das kann auch Obst gewesen sein - um dann eben auch entsprechend Wellen zu bekommen, gute Wellen zu bekommen. (...) Das andere war zum Beispiel, dass man bei nicht vorhandenen Wellen das Meer mit Seetang gepeitscht hat, um quasi Wellen herbeizuschwören, dazu gab es dann halt auch bestimmte Gesänge.“

Sprecherin

Doch: dass die Hawaiianer ihr gesamtes Leben von früh bis spät nach dem Gang der Wellen ausrichteten – dies sollte bald der Vergangenheit angehören. Nach der Entdeckung der Inseln durch James Cook kamen im 19. Jahrhundert christliche Missionare nach Hawaii. Diesen war das heidnische Brauchtum ein Dorn im Auge: allem voran, dass sich die Inselbewohner nackt aufs Brett stellten. Den Missionaren gelang es, ihre moralischen Sitten durchzusetzen. Mit ihnen hielt auch ein klar strukturierter Tagesablauf auf den Südseeinseln Einzug, der sich nicht mehr nach Ebbe und Flut, nach dem Gang der Wellen richtete. Die kulturelle Einbindung des Surfens ging verloren, es verkam zum reinen Zeitvertreib. 

Musikakzent:  White sandy beach of Hawai 0‘15

Es war Duke Paoa Kahanamoku – kurz, der „Duke“ - der Anfang des 20. Jahrhunderts eine Renaissance des immer weniger populären Surfens herbeiführte.

O-Ton 6 Kind 

„...Er hat das Ganze wirklich nach vorne gebracht: Ursprünglich ja auch ein Schwimmer, ein Rettungsschwimmer, wenn man in Waikiki am Strand steht, gibt es eine ganz große Statue von ihm mit einem Surfbrett. (…) Im Prinzip hat er das Surfen wieder gesellschaftsfähig gemacht, also eben, er hat halt im Prinzip einfach wieder gesurft und die Leute neugierig darauf gemacht, das hat ja so eine Sogwirkung dann: „oh, der macht das auf einmal, das ist ja schon wieder was Besonderes!“ Und letzten Endes hat er dann halt viele andere Leute mitgezogen. (...) Es wurden dann erste Surfclubs wieder eingerichtet, 1908 wurde dann die erste offizielle Surforganisation, der Outrigger Surfboard Club nannte der sich, gegründet. Touristen haben dann halt bei diesen typischen Beach Boys, so nannte man sie oder so nennt man sie halt auch immer noch, Surfunterricht bekommen. Das Ganze ist dann ja von Hawaii nach Kalifornien gekommen.“

Musik:  Beach Boys“, Surfin´USA  1‘00

O-Ton 7 Sternemann Teil 1

„Da war das mehr so: Hey, wir gehen da raus, wir haben Spaß zusammen und dödeln da auf so Riesenbrettern so ganz langsam durch die Welle (…)

Sprecher

...weiß der Surflehrer und Coach Timo Sternemann.

O-Ton 7 Sternemann Teil 2

„Und ich denke da, vielleicht hast du so Bilder auch vor Augen, da sind so 50 Leute auf einer Welle gesurft und ich glaube, da war das weniger kompetitiv.“

Sprecher

Noch war das Surfen auf großen, trägen Brettern eine recht gemächliche Angelegenheit. Doch diese Zeiten änderten sich spätestens mit den 1950er-Jahren. Tüftler traten auf den Plan, um die Boards leichter, kleiner und wendiger zu machen. Dazu kamen mehreren Finnen: Kunststoffteile, die wie umgekehrte Haiflossen unten aus den Brettern ragen. Sie beschleunigten die Boards, und machten sie drehfähiger. Dies führte Timo Sternemann zufolge dazu...

O-Ton 8 Sternemann

„….dass die Sportart schneller, agiler, kraftvoller geworden ist, dass irgendwann (...) in den 70er Jahren die Bretter kürzer geworden sind und so ein Dreierfinnen-Set, so ein Thruster erfunden wurde. Da ist so mehr Dynamik reingekommen...und da brauchte dann ein Surfer die ganze Welle, weil der vor, zurück, rauf, runter gefahren ist und dann war dieser Style vom Surfen eben nicht mehr mit 30 Leuten auf einer Welle möglich.“

Sprecher

Dass das Surfen so zunehmend Wettbewerbscharakter gewann – und dass es sich gleichzeitig immer mehr verbreitete: Dies hatte mit einer weiteren Neuerung zu tun: Dem Neopren-Anzug. Denn der machte längere Aufenthalte im Wasser auch in kälteren Regionen - wie etwa der französischen Atlantikküste - möglich. Befeuert durch Berichte in Zeitungen, Magazinen, Rundfunk und Fernsehen kam es in den 1960er-Jahren weltweit zu einem Surf-Boom.

Atmo: Wellen

Auch Arthur Pauli, einem Abiturienten aus dem Chiemgau in Oberbayern, fiel ein Artikel über das Surfen am französischen Atlantik in die Hände. Der junge Mann las ihn – und war sofort fasziniert:

O-Ton 9 Pauli

„Das war der da...„The Fabulous French Surf“. Und das war natürlich... uih, in Frankreich kann man surfen und Biarritz ist natürlich sozusagen die Hauptstadt des europäischen Surfens. Da musste ich unbedingt hin! Das war dann mein Grund, warum ich dann nach meinem Abitur mit dem Motorrad nach Biarritz gefahren bin.“ 

Sprecherin

Doch: Wie dort surfen ohne eigenes Board? Arthur Pauli und sein ebenso surfbegeisterter Spezl schalteten eine Anzeige in einer Lokalzeitung im fernen Baskenland, um mit Surfern am Atlantik in Kontakt zu kommen. Gemeldet, erzählt Pauli, hat sich niemand. 

O-Ton 10 Arthur Pauli, Mit-Erfinder des Fluss-Surfens

„Dann haben wir gesagt: Da gibt es bestimmt einen von den Surfern, der uns ein Brett leihen wird. Aber haben wir keine Resonanz bekommen, bis wir weggefahren sind nach Biarritz. Und auch in Biarritz selber hatten wir Pech gehabt, hat uns keiner ein Brett geliehen. Die waren alle in Betrieb. Immer wenn gute Wellen waren, waren die Bretter alle draußen. Und wenn keine guten Wellen waren, dann wollten wir auch nicht rausgehen. Der Traum, da viel zu surfen, war dann da ausgeträumt. „

Sprecherin

Doch Arthur Pauli, der junge Surf-Pionier aus Trostberg, wusste sich selbst zu helfen. Der Traum, eine schöne Welle zu reiten – der musste sich doch auch fern der Ozeane verwirklichen lassen? Erste Erfahrungen damit hatte Pauli schon als Schüler gesammelt. Zuerst mit Holzbrettern, dann mit der Platte eines alten Campingtischs, die der Jugendliche mit einem Seil am Ufer der Alz befestigte. Sich darauf in die Fluten zu stürzen – das funktionierte aber nur leidlich. Arthur Pauli und seine Freunde verbrachten mit diesen Brettern mehr Zeit unter - als auf dem Wasser.

Atmo Welle  Surfin 0‘15

Der junge Mann beschloss daher, sein eigenes Surfbrett zu bauen. Als Vorlage hatte er nicht viel mehr als die Abbildung eines Wellenreiters auf einem Plattencover. Aber Pauli hatte schon Erfahrung im Modellbau, wusste bereits, wie man kleine Boote fertigt. Er sägte die Bestandteile des Bretts aus speziellem Sperrholz und überzog das Ganze mit Glasfaser-Polyester. Fertig war das erste im Chiemgau hergestellte Brett - möglicherweise das erste in Deutschland gefertigte Surfboard überhaupt. Mit der Übergabe eines seiner Boards an einen „Kunden“ in München im Jahr 1971 sollte auch die Geschichte des „River-Surfens“ in der Landeshauptstadt Fahrt aufnehmen.

O-Ton 11 Pauli

„Und da sind wir dann, das war dann südlich des Campingplatz Thalkirchen...da hat es auch eine kleine Welle gegeben, die war aber für uns das erste Mal noch nicht so interessant. Wir wollten das erste Mal mit dem Seil fahren, aber beim Fahren mit dem Seil mit dem Brett sind wir draufgekommen: Da ist ja eigentlich schon ein bisschen eine Welle, und vielleicht könnte man mal versuchen, so hinzufahren mit dem Seil, dass die Welle schiebt! Die war nämlich nicht sehr hoch die Welle, die hat schätzungsweise so 40 Zentimeter, 30 Zentimeter... Das ist uns nicht gelungen!“ 

Sprecherin

Frei, ganz ohne Seil auf einer Welle zu stehen: An der heutigen Königsdiziplin der Fluss-Surfer scheiterten Pauli und seine Surf-Spezln damals – noch.  

O-Ton 12 Pauli

 „...aber mein Spezl, dem ich das Brett geliefert habe am Königsplatz, der hat mit einem amerikanischen GI, den wir da auch kennengelernt haben, der hat so lang probiert und so intensiv auf der Welle probiert, bis er es geschafft hat, auf dieser kleinen 30 Zentimeter hohen Welle wirklich ohne Seil zu reiten“

Atmo große Welle(n), darüber

Sprecherin

Während in München das Riversurfen florierte, die tollkühnen Wellenreiter – nunmehr auf dem Eisbach - nach und nach zur Touristenattraktion wurden, nahm weltweit eine andere Form des Surfens ihren Aufschwung: 

Musik:  Wind beneath the wings 0‘45

Das Windsurfen. Es waren die US-Amerikaner Newman Darby und Jim Drake, die Ende der 1960er-Jahre die Idee, ein Surfbrett mit einem Segel zu verbinden, erstmals in die Tat umsetzten. Doch erst Neuerungen, die das Windsurfen bequemer machen, wie die Entwicklung des Trapezes, das die Hände entlastet, Fußschlaufen für höhere Standfestigkeit auf dem Brett, sowie insgesamt leichtere und agilere Bretter, die Sprünge ermöglichen, sorgten dafür, dass sich die Sportart weit verbreitete.  Seinen weltweiten Durchbruch erlebte das Windsurfen Ende der 70-er, Anfang der 80er-Jahre. 

Sprecher

Zu dieser Zeit wandert auch das Hamburger Ehepaar Köster nach Gran Canaria aus - und gründet dort eine Surfschule. Ihr Sohn Philipp wächst mit Wind und Wellen auf. 

O-Ton 13 Philip Köster, Windsurf-Profi auf Gran Canaria

„Ich hatte eigentlich immer das Meer vor meiner Haustür. (...)Surfen ist mein Leben, sozusagen. Seit meinem achten Lebensjahr bin ich eigentlich nur am Windsurfen.“

Atmo: Wind/Meer

Sprecher (Aussprache: Poso Iskierdo)

Der hier stets wehende, oft starke Wind in Pozo Izquierdo im Südosten von Gran Canaria bietet professionellen Windsurfern wie Philip Köster beste Bedingungen. 

Musik:  Sky in your eyes  0‘30

Manchen Surfer reizt der Speed: Profis erreichen bei starkem Wind Rekordgeschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometer pro Stunde. Andere bevorzugen die Disziplin „Slalom“. Philip Köster reizt indes eher das Waveriding: Die Wellen – und was sich aus ihnen machen lässt. 

O-Ton 14 Köster

„Man kann Ein-, Zwei-Meter-Wellen haben bei einem guten Tag. Nicht so wie in Hawaii, wo es dann bis acht Meter geht. Das Spezielle hier auf Gran Canaria in Pozo, ist eigentlich der ganz starke Wind, wo man richtig hoch springen kann. Desto stärker der Wind ist, desto höher kann ich auch springen, was mir auch sehr viel Spaß bringt. Und ich schaue immer, immer höher zu springen. (...) Also ich bin schon seit Jahren lang dran am Triple Loop, also dreifachem Vorwärtssalto.“

Atmo: Meeresstand

Sprecher

Schon 2009, als Jugendlichem, gelang Philip Köster mit 18 Metern der damals höchste Sprung der Windsurfgeschichte. Köster war der erste Deutsche, der in der Kategorie „Wellenreiten“ Windsurf-Weltmeister wurde. Vier weitere Titel sollten folgen. Der junge Surfprofi ist „mit allen Wassern“ gewaschen. Doch perfekt – das, sagt Köster, ist man im Surfsport nie.

O-Ton 15 Köster

Man kann nie der perfekte Surfer sein.(…) Die Bedingungen sind eigentlich immer anders (…) Wenn der Wind stärker wird, wird alles unberechenbarer. Man kann Sachen kontrollieren bis zu einem Limit. Wenn der Wind, wenn erst mal zehn, elf, zwölf Windstärken da sind, dann kontrolliert man einfach nichts mehr so richtig. Und an dem Limit zu bleiben und Sachen auszuprobieren, bringt mir Spaß. Ja, das gehört eigentlich dazu zum Windsurfen, sich immer weiterzuentwickeln darin.“ 

Sprecher

Es ist der Reiz des Unkontrollierbaren, der Surferinnen und Surfer bis heute veranlasst, sich den Elementen auszuliefern, sich zum Spielball der Urgewalt des Meeres zu machen. Ungefährlich ist das nicht: Philip Köster verletzte sich bei einem Sturz schwer am Knie, riss sich Bänder, ein Knochen splitterte ab. Beim Surfen kann einiges passieren: Das Board kann einen Surfer am Kopf treffen, er kann bewusstlos werden, im schlimmsten Fall ertrinken. Weltweit verunglücken durchschnittlich jedes Jahr zehn Surfer tödlich. Um das Surfen sicherer und besser zu machen, hat der Mensch die Technik der Boards über die Jahrzehnte immer weiter verfeinert: Zunächst beim Wellenreiten, dann beim Windsurfen, schließlich aktuell beim Kiten – wobei sich der Surfer von einem Lenkdrachen ziehen lässt. 

Musik:  Longing for freedom 0‘20

Sprecherin

Freiheit erfahren, sich eins fühlen mit einer Natur, die dem Menschen gleichzeitig genau seinen Platz zuweist: Das macht für den Sportwissenschaftler, Surflehrer und Coach Timo Sternemann die Faszination des Surfens aus. 

O-Ton 16 Sternemann

„Für mich ist das tatsächlich so, dass man sich irgendwie in dieses große System Natur so reinbegibt und ja irgendwo nach diesen Regeln spielen muss. Das sind ja eigentlich Regeln der Physik. Also ich muss irgendwelche Regeln erfüllen, damit ich in diesem System da überhaupt auf diese Welle kommen kann oder mit dem Kite wegfliegen kann. Aber innerhalb dieser Grenzen dieses Systems, da kann man sich dann frei entfalten. Und das finde ich geil. Und ich finde, da kann man auch so ein bisschen Parallelen aufs Leben, auf das Leben in einer Gesellschaft auch ziehen. So wir haben hier bestimmte Regeln, bestimmte Eckpfeiler. Aber innerhalb derer kann man sich dann doch frei entfalten und kreativ sein.“

MUSIK:  Hyacinth House 0‘25

Sprecher

Neo-Hippies, die mit ihrem VW-Bulli den Wellen nachreisen, auf dem Dach immer das Board, in der Hand den obligatorischen Joint: Die, sagt Timo Sternemann, gebe es immer noch. Und doch habe sich im Surfen etwas verschoben: Weg von einer Lebenseinstellung, einem Lebensgefühl hin zum Sportlichen, das den modernen Prinzipien der Optimierung und Selbstoptimierung folgt.

O-Ton 17 Sternemann 

„Bestimmt ist es kompetitiver geworden, weil die Welt ist ja durchaus, wir leben in den Medien und Marketing und Wirtschaft, das lebt ja irgendwie von Competition, vom Wettbewerb. (…) Und die Gesellschaft macht die Menschen, die Menschen machen die Gesellschaft, also werden diese Menschen auch genau das in so einen Sport reinbringen. In diesem Sinne kann man bestimmt sagen, ja, es gibt mehr Contests, mehr öffentliches Interesse, das würde auch so eine kompetitive Ader des Surfens fördern. Es gibt auch noch einen anderen Aspekt von Competition, das ist im Prinzip auch so ein Neidfaktor an den Spots, da gibt es natürlich auch etwas Kompetitives, nämlich wem gehört die Welle? Ist es den besseren Surfer, dem Surfer, der da wohnt oder sind die für alle da? Also dieses Lokalismus, Localism ist da ein Thema, glaube ich, wo Leute sich irgendwie des Kämpfens verpflichtet fühlen.“

Musik:  Smart workaround 0‘45

Sprecherin

Denn über Social Media, über Instagram, Facebook oder Tik Tok ist jeder einmal entdeckte Surfspot einer globalen Community einfach in Sekundenschnelle zugänglich. Surfer wüssten heute durch Wind- und Wettervorhersagen oft schon im Vorhinein, welche Orte sich wann zum Wellenreiten lohnen – wo es sich lohnt, hinzufahren, und wo nicht. Doch: Geht dadurch nicht das Geheimnis von Versuch und Irrtum, die Faszination des Entdeckens neuer Strände, die Spontaneität beim Surfen verloren? Timo Sternemann hat daran Zweifel. Denn dank der digitalen Errungenschaften könne man heute eben auch ganz spontan einen Trip dorthin buchen, wo Wind und Wellen gerade am besten sind. Für Sabine Kind, Surferin und Professorin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement hat ein weiterer Aspekt des Surfens jüngst an Bedeutung gewonnen: Fitness und Gesundheit.

O-Ton 18 Kind 

„Atemübungen, Achtsamkeit, was kann ich meinem Körper zutrauen, was traue ich mir selber zu. (…) Es gibt ein paar wenige Studien, die zum Beispiel festgestellt haben, dass bei depressiven Verstimmungen, depressiven Erkrankungen Surfen helfen kann, das ganze zu verbessern. Eben aufgrund von Achtsamkeit, (...)man stärkt dadurch auch seine Selbstwirksamkeit, weil man ja immer seine Fähigkeiten intensiviert, immer mehr Fähigkeiten dazu gewinnt. Und eben auch durch diese Erfolgserlebnisse, die man dann irgendwann hat, wenn man dran bleibt, seine Selbstwirksamkeit stärkt.“

Musik:  The flow of time  0‘45

Sprecherin

In ihrer Doktorarbeit „Surfing - Happy and Healthy? Gesundheit im Habitus von Surfern“ zitiert Sabine Kind die brasilianische Big-Wave-Surferin Maya Gabeira, die nach einem lebensbedrohlichen Unfall in meterhohen Wellen gefragt wurde, warum sie trotzdem weitermache. Ihre Antwort: Der Flow. „Wenn Du in einer lebensbedrohlichen Situation in den Flow kommst“, erzählte die Profi-Surferin, „dann erreichst Du ein Level, das Du ohne diese Situation nie erreichen würdest.“ Es sei genau dieser Flow, der Surferinnen und Surfer trotz brenzliger oder auch einfach nur anstrengender Situationen immer wieder aufs Brett treibe, sagt Sabine Kind. 

O-Ton 19 Kind 

„Surfer sprechen ja auch oft oder überhaupt in diesen Sportarten, die ja häufig von diesem Flow-Gefühl beschrieben, dass es einen so trägt und dass es einen motiviert, weiterzumachen. Auch wenn vielleicht der Muskelkater von Tag vorher noch extrem vorhanden ist.“

Sprecher

„Weitermachen, trotz aller Mühe!“ Das ist auch das Motto von Laura und Matze, die aus Hannover zum Surfen an den Stadtstrand von Las Palmas gekommen sind. Die Bedingungen: Sie waren heute nicht einfach, die Wellen ziemlich choppy, das heißt: Der Wind zerstreut die Wellen, macht sie ungleichmäßig – und so schwer zu reiten. 

Atmo Wellen

Eine Erfahrung, von der sich passionierte Surfer wie Laura und Matze jedoch keineswegs entmutigen lassen.

O-Ton 20 Laura

„Heute schwierig, aber auch sehr interessant, die Wellen auch zu lesen. Ich habe begonnen – und ich werde, bis ich nicht mehr kann... surfen lernen und üben.“

Musik  Ambient flow 0‘35

O-Ton 21 Matze

„Ich hab das schon erwähnt mit dem Meditativen: Es ist wie Wandern, aber im Wasser. Und das Gefühl nach so ner Session: Das genieße ich auch immer sehr. Ich fühl mich wie...als wär ich in der Waschmaschine gewesen. Ich war auch in einigen Waschmaschinen: So nennt man das beim Surfen auch, wenn man unter Wasser ist. Von daher: Das Gefühl danach ist auch sehr, sehr schön.“ 


 

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