Die Geschichte des Taxis ist ein faszinierendes Kapitel Transport-Kultur, ein Spiegel technischen Fortschritts. Kunden gegen Entgelt zu transportieren, das beginnt mit Sänften und Kutschen, geht über Fahrräder, bis hin zu den motorisierten Taxis der Neuzeit. Von Martin Trauner
Credits
Autor dieser Folge: Martin Trauner
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Julia Fischer, Carsten Fabian
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Katharina Hübel
Im Interview:
Jürgen Hartmann - taxitimes
Diese hörenswerten Folgen von Radiowissen könnten Sie auch interessieren:
Die Erfindung des Rads - Als die Welt ins Rollen kam
JETZT ENTDECKEN
Velo, Radl, Mountainbike - Ein Gefährt und seine Geschichte
JETZT ENTDECKEN
Verkehrspolitik der Zukunft - Effizienter und umweltschonender?
JETZT ENTDECKEN
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
11KM Stories - Das Gift in Dir
PFAS sind überall – in Pizzakartons, Regenjacken, Kosmetika. Sie gelten als Jahrhundert-Gift. Doch was bedeutet das für uns? In der ersten Staffel von 11KM Stories “Das Gift in Dir” gehen die Journalist:innen Johannes Edelhoff und Catharina Felke der unsichtbaren Gefahr auf den Grund. Sie erzählen von Gemeinden in Deutschland, deren Grundwasser so vergiftet ist, dass sie es nicht mehr nutzen dürfen. Und von einer mächtigen Chemie-Lobby, die alles daransetzt, ihr Geschäft weiterzuführen. Wie tief steckt das Gift bereits in uns? Johannes wagt den Selbstversuch – und lässt sein Blut testen. HIER geht es zum Podcast
Spannende Berichte über aktuelle Forschung und Kontroversen aus allen relevanten Bereichen wie Medizin, Klima, Astronomie, Technik und Gesellschaft gibt es bei IQ - Wissenschaft und Forschung:
BAYERN 2 | IQ - WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
Skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Das Kalenderblatt erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum. Ein Angebot des Bayerischer Rundfunks.
DAS KALENDERBLATT
Literatur:
Ulrich Kubisch: Taxi - das mobilste Gewerbe der Welt - Schriftenreihe des Museums für Verkehr und Technik Berlin
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an [email protected].
Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
JETZT ENTDECKEN
Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK: Fredl Fesl „Taxilied“
„Hallo, Taxi, fahrn's mich bitte
in die Ottobrunner Strass’.
Doch fahrn's bitte nicht so narrisch
denn ich hab' schon fünf-sechs Mass.
Wenn's geht, den kurzen Weg
über Giesing-Martinstrass’,
weil ich einen kleinen Umweg
über Dachau furchtbar hass’…
ERZÄHLERIN
Der niederbayerische Liedermacher Fredl Fesl singt 1976 von seiner Erfahrung in einem Taxi, in der Landeshauptstadt München. Eigentlich will er einfach nur ganz schnell heim… Von einem Auftritt im berühmten Kleinkunstlokal „MUH“ neben dem Sendlinger Tor, heim in die Münchner Ottobrunnerstraße. Das wären so um die 6 Kilometer Fahrtstrecke … Eigentlich….
MUSIK: Fredl Fesl „Taxilied“
Und ich will auch nicht nach Pasing
Und auch ungern nach Freimann
Weil ich a) schon furchtbar müd’ bin und
b) es mir nicht leisten kann
Der Innungskopf hat d'Tuer zug'haut
Hat g'wart, bis dass ich schlief
Dann hat er schnell sei' Uhr eing'stellt
Auf günstigsten Tarif
MUSIK weg
ERZÄHLERIN
Lieder über das Taxifahren gibt es viele. In jedem Land, in jeder Stadt. Und ja, damit kann man sogar einen Adventskalender füllen
1. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Wir als Magazin haben auch als Adventskalender, da haben wir jeden Tag, vom 1. Dezember bis zum 24. ein Taxilied vorgestellt als Adventskalender…
ERZÄHLERIN
Sagt Jürgen Hartmann, Geschäftsführer des „Taxi-times-Verlag“, der auch ein gleichnamiges Magazin herausgibt. Ein Fachmagazin für die Taxibranche.
2. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
…da ist auch das Fredl-Fesl-Lied natürlich darin vorgekommen… oder auch das berühmte Lied „I steh in der Kält’n und wart auf mein Taxi, aber es kummt net…
MUSIK (DÖF)
I steh in der Költ'n und woat auf a Taxi, oba es kummt net.
(Kummt net, kummt net)
I woat auf des Brummen von am Mercedes Diesel, oba es brummt net
(Brummt net, brummt net)
Die Dame vom Funk, die sagt zu mia:
"Der Wagen 734 ist in fünf Minuten hier!"
ERZÄHLERIN
Wenn Lieder nicht nur Geschichten erzählen könnten, sondern wirklich Geschichte, wäre die Geschichte des Taxis hier bereits auserzählt: Also: entweder kommt das Taxi nicht und wenn es dann doch kommt, ja, dann wird’s eine abenteuerliche Fahrt und sehr teuer.
MUSIK aus und Geräusch: Autotür schlägt zu
3. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
(…) das sind so diese Geschichten, die man halt hört, das Problem ist einfach wie überall. Wenn du im Taxi zehnmal fährst und hast neunmal einfach, neunmal ist es okay und es passiert nix und der fährt dich so wie er soll und völlig gewissenhaft von A nach B auf den direktesten Weg, dann bist du ausgestiegen als Fahrgast und hast in dem Moment, wo die Tür zugeht, auch schon wieder die Fahrt vergessen. Aber wenn dir mal was Schlechtes passiert, dann erzählst du das einfach …
ERZÄHLERIN
…. oder singst das in Liedern. –
MUSIK (alt und tückisch)
ERZÄHLERIN
… Die Geschichte des „Personenlohnfuhrwesens“, so hieß die Taxibranche auch mal, ist natürlich eine andere, eine komplexere und vor allem ist sie eine sehr lange und eine sehr alte Geschichte …. Wie alt eigentlich?
4. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Also wenn man überlegt, dass ja auch ein Sänftenträger schon ein Taxi war, wenn man so will, ja, … so alt wie die Menschheit, ja.
ERZÄHLERIN
So Jürgen Hartmann. Er kennt sich aus mit der Branche und der Geschichte des Taxis. Er war selbst lange Jahre Taxifahrer und auch Taxiunternehmer mit vier Fahrzeugen, Referent an der Taxischule München. Und Jürgen Hartmann ergänzt:
5. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Ich denke ab dem, also ohne eine Jahreszahl nennen zu können, ab dem Moment, wo eben jemand nicht selber mobil genug war, um irgendwo hinzukommen und deswegen auf eine fremde Hilfe, auf ein fremdes Gefährt mit einem entsprechenden Chauffeur angewiesen war.
ERZÄHLERIN
Jahreszahlen oder Daten zu nennen ist tatsächlich gar nicht so einfach oder kaum möglich. Denn in jedem Land, in jeder Stadt entwickelt sich die heute so genannte Taximobilität etwas unterschiedlich. das Wort „Taxi“ ist übrigens gar nicht so uralt… Aber dazu später mehr…
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Vermutlich beginnt dieses mobile Gewerbe also wirklich mit den Sänften. Doch wer weiß das so genau? Aufzeichnungen darüber gibt’s wenige. Die Ära der Sänftenträger in Deutschland endet jedenfalls allerspätestens irgendwann Anfang des 19.Jahrhundert. In Berlin hängt 1833 an einer festgezurrten Sänfte ein Schild:
ZITATOR
„Wer diese Sänfte gebrauchen will, der melde sich in der Siebergasse.
ERZÄHLERIN
Den Adeligen ist die Sänfte schon längst zu unbequem geworden, und ein normaler Bürger kann sich das teure Gefährt eh’ nicht leisten. Und man dürfte in dieser Zeit, also um 1830, durchaus einige Probleme gehabt haben, geeignetes Personal zu finden: in Berlin waren es Anfang 1700 die zugewanderte Hugenotten, die Sänften tagen durften, und: in München waren es um diese Zeit türkische Kriegsgefangene- man nennt sie „türkische Sesselträger“, die Sänften tragen mussten. Dass es in Berlin um diese Zeit überhaupt noch einen Sänftenservice gegeben haben soll, das ist dann doch schon ziemlich kuriose Geschichte …
MUSIKAKZENT und (Geräusch Kutsche)
ERZÄHLERIN
Denn: Ein nicht vom Menschen angetriebenes Gefährt zur allgemeinen Personenbeförderung, erobert die Städte bereits lange vorher: Die Kutsche. Bereits um 1770 fahren in Berlin 40 Wagen. Der Erfolg dort ist wechselhaft. Durchsetzen konnte sich diese, nicht ganz so neue Bewegungsart erstmal nur in wenigen Städten. Etwa in Warschau und natürlich in Wien.
MUSIK (Wiener Fiakerlied)
A Kutscher kann a jeder wer’n,
Aber fahren kinnans nur in Wean.
Refrain:
Mei’ Stolz is, i’ bin halt an echt’s Weanakind,
A Fiaker, wie man net alle Tag’ find’t,
Mein Bluat ist so lüftig und leicht wie der Wind,
I’ bin halt an echt’s Weanerkind.
MUSIK aus
6. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Ja, also die typischen Pferdekutschen, die nennt man Fiaker, vor allem in Wien, da gibt es sie immer noch. … Den Fiaker, da hat sich der Begriff auch noch gehalten…. und es wurde dann tatsächlich irgendwann von der Droschke ersetzt, also vom Automobil.
ERZÄHLERIN
Bis die Pferdedroschke zur Motordroschke, also zum Automobil wird, dauert es dann doch noch ein wenig. Im Süddeutschen Raum und vor allem in Österreich heißen die Fiaker nach dem französischen Vorbild so, weil die Pariser ihre Kutscher als „Fiacres“ bezeichnet haben. Warum die da so hießen? Da ranken sich viele Legenden darum. War es vielleicht der erste Standplatz für Taxis in Paris, in der Rue de Saint Fiacre? – Wir wissen es nicht. Immerhin:
Pate für diesen Begriff steht jedenfalls der „Heilige Fiacrius“, heute übrigens der Schutzheilige für Gärtner und Taxifahrer. -
Den Namen „Droschke“, das weiß man dann immerhin doch sehr genau, führt ein Dessauer Pferdehändler ein, der 1811 die Regierung von Preußen ersucht, „Warschauer Droschken“ zur allgemeinen Personenbeförderung zur allgemeinen Personenbeförderung in Berlin fahren zu lassen. „Droschke“ stammt vom russischen Wort „Droschki“ – auf Deutsch: „Fuhrwagen“. - Und schon drei Jahre nach seinem Antrag kommt prompt die Antwort von Friedrich Wilhelm:
ZITATOR (Friedrich Wilhelm)
Ich finde keine Bedenken, dem Pferdehändler Mortgen mit Rücksicht auf die Bequemlichkeit der Berliner Einwohner, die ausschließliche Befugnis, so genannte „Warschauer Droschken“ in der Stadt aufzustellen.
ERZÄHLERIN
32 Droschken darf der Pferdehändler Alexi Mortgen in Berlin aufstellen. Und in den nächsten Jahren passiert schon einiges: Es entwickelt sich eine erste „Etikette“ des frühen Lohnfuhrgewerbes. Die Droschkenführer sind uniformiert oder zumindest gut gekleidet: schwarzer Zylinder, grüne Jacken mit gelben Schnüren. Tatsächlich ist das ein erster Schritt in die Zukunft des Taxigewerbes – so wie wir es heute kennen.
7. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Also wenn man so will, gucken Sie in den ländlichen Bereich, dort ist es nahezu, also eigentlich in der Überzahl, so dass in dem ländlichen Bereich die dortigen Taxibetriebe alle Angestellten, also keine Uniform tragen, aber natürlich eine Firmenkleidung tragen. Das heißt, ein T-Shirt, ein Sweatshirt oder auch eine Jacke, wo ganz klar das Logo der Firma draufgedrückt ist. (…)
ERZÄHLERIN
In dieser frühen Zeit des Lohnfuhrwesens, Anfang des 19. Jahrhunderts in Preußen, damals ist der Begriff „Taxi“ noch völlig unbekannt, setzt sich noch eine Etikette durch, die bis heute bei modernen Taxis gilt. Die Droschken stehen hintereinander aufgereiht auf Plätzen, die ihnen die Polizei zugewiesen hat, und warten auf Fahrgäste. Und für Kunden gilt das Höflichkeitsgebot: Man nehme immer die erste Kutsche. - Das hat sich im Großen und Ganzen bis heute gehalten. Jürgen Hartmann:
8. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Das mag vielleicht der Gerechtigkeitsgedanke sein, dass man sagt, also wer das Taxi, das ganz vorne steht, ist das, das am längsten jetzt schon wartet. Und dann auch das Vorrecht hat, den Auftrag zu bekommen oder die Fahrt zu bekommen.
(ERZÄHLERIN
Heutzutage ist das per Verordnung geregelt:
9. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Es steht aber ganz klar in der Ordnung drin, in jeder Taxitarifordnung, der Fahrgast hat das Recht, sich sein Taxi frei auszuwählen. Also er darf am Taxistand entlang laufen und auch in das dritte Taxi einsteigen)
MUSIK Akzent (Geräusch altes Taxameter)
ERZÄHLERIN
In der vermeintlich guten, alten Zeit der Fiaker und Droschken, also immer noch gegen Ende der 1880er Jahre, ist der Fahrpreis entweder Verhandlungssache oder: der Kutscher misst mit seiner Taschenuhr die Fahrzeit und berechnet daraus nach eigenem Ermessen seinen Tarif. Nur: Warum sollte der Kunde mehr bezahlen, nur weil der Kutscher lahme Gäule eingespannt hat. Oder den Weg nicht gekannt hat - Kein Wunder, dass da manche Unstimmigkeiten entstehen. - Aber da kommt plötzlich ein Gerät in die Welt, dass das Lohnfuhrwesen revolutioniert. Das Taxameter! Eine Zeitungsannonce dieser Zeit macht es publik:
MUSIK Werbung 1900
ZITATOR (Werbung um 1900)
Original Taxameter Bruhn! Erster und ältester Taxameter der Welt!!
Original Bruhn! Führende Weltmarke auf dem Gebiet der Verkehrskontrolle!
ERZÄHLERIN
Erfunden hat dieses seltsame Kästchen mit den vielen Zahnrädern, diesen bald Geschichte schreibenden Mechanismus, erfunden hat das ein gewisser Friedrich Wilhelm Gustav Bruhn. So um die 1890er Jahre. - Über Wilhelm Bruhn weiß man natürlich, wie in der Taxigeschichte üblich, so nicht unbedingt viel: In Lübeck ist er geboren, er besucht dort ein altsprachliches Gymnasium, lernt also Latein und Griechisch, heuert dann bei einem Ingenieurbüro in Hamburg an und erfindet und vermarktet sehr geschickt sein „Taxameter“ in Zeitungsanzeigen. - Nur: was überhaupt ist ein Taxameter? - 1927 schreibt das „Handwörterbuch für Kaufmänner“:
ZITATOR (Handwörterbuch für Kaufmänner);
Das Taxameter ist ein Gerät, bei dem die durchfahrende Strecke auf einem sichtbaren Zählwerk derart angezeigt wird, dass der Fahrgast sofort den zu zahlenden Betrag für die Fahrt ablesen kann …
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Jürgen Hartmann erklärt es genauer:
10. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Das Taxameter ist letztendlich das Gerät im Taxi, das eben den Fahrpreis anzeigt, den Kunden und durch eine entsprechende Technik und Mechanik berechnet. (…) Und anhand dessen zählt es dann quasi die Radumdrehungen. Und das führt dann letztendlich zur Berechnung des Fahrpreises, weil: der Fahrpreis setzt sich ja zum einen aus dem Zeitfaktor zusammen und zum anderen aus den gefahrenen Kilometern. (Und um die zu messen, werden einfach die Radumdrehungen gemessen. Da sitzt der Sensor dran und das wird alles mit dem Tachosignal und dem Taxameter verknüpft.)
ERZÄHLERIN
Das „Taxameter“ gibt dem alten Lohnfuhrwesen nicht nur einen neuen Takt und einen neuen Preis vor, das „Taxameter“ gibt der Branche vor allem ihren Namen. Beinahe weltweit, in vielen Sprachen, etwa im Arabischen, im Japanischen oder im Russischen, wird das Gefährt zum Transport bald „Taxi“ genannt werden. Klingt ja so einfach – Freilich: Friedrich Wilhelm Bruhn, übrigens Schüler der alten Sprachen, hat den Begriff aus dem lateinischen Wort „taxare“ - was „abschätzen“ bedeutet – und der griechischen Vokabel „metron“ – was „Maß“ bedeutet – neu zusammengesetzt. Aus der guten alten Pferdedroschke mit einem Taxameter wird also später das uns bekannte Gefährt, das „Taxi“.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Bereits 1896 wird das neue Gerät, das Taxameter, Pflicht für alle Berliner Pferdedroschken. Und auch andere Städte ziehen bald nach. - Doch fast gleichzeitig erreicht eine neue, vielleicht noch revolutionärere Erfindung, das Taxigewerbe.
MUSIK Fiakerlied Vorspiel
ERZÄHLERIN
Sang man noch in Wien in den 1890er Jahren das berühmte Fiakerlied mit den Anfangszeilen:
MUSIK (Fiakerlied)
I führ’ zwa harbe Rappen,
Mei’ Zeug dös steht am Grab’n,
A so wie dö zwa trappen
Wer’ns net viel g’sehen hab’n.
ERZÄHLERIN
… singt man das gleiche Lied bereits wenige Jahre später ein bisserl anders:
MUSIK
Ich hab an alten Daimler
die Kraxn steht am Grabn.
A so a Taxi-Auto werdn s‘
no net gsehgn no habm.
ERZÄHLERIN
Für die Nicht Wiener sei das mal übersetzt: anstatt der zwei alten Rappen, der alten Pferde, besitzt der Wiener Fiaker nun einen alten Daimler, in dem er die Kundschaft kutschiert. – Ja, was ist denn da passiert?
MUSIK Akzent (Geräusch: evtl erstes Daimler Taxi)
ZITATOR
… Der neue Daimler-Taxameter hat seinen Stand am Jungfernstieg und fährt zur bestimmten Taxe. Bei den zahlreichen bisher mit dem Gefährt unternommenen Fahrten bewährte sich das Gefährt so gut, dass man nur Stimmen der Anerkennung vernehmen konnte… Seine Vorzüge mit der schnellen Fahrweise werden zur Hebung seiner Beliebtheit beitragen.
ERZÄHLERIN
Schreibt 1898 die Zeitschrift „Der Motorwagen“. Schon in diesem Jahr entsteht in Hamburg ein Daimler Taxibetrieb. Der „Daimler“, der damals noch so genannte „Taxameter“ oder auch die so genannte Kraftdroschke, er erobert die Städte. Das sind keine Pferdekutschen mehr, sondern motorisierte Kutschen, der Volksmund nennt sie „Stinkdroschken“. Die Fahrzeuge sehen zwar anfangs immer noch aus, wie die alten Droschken, statt dem Pferd haben sie halt einen Motor vorne dran, aber die Gefährte werden immer besser. Und immer beliebter.
11. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Es gab früher mal den Spruch unter der Kundschaft, wenn du mal Mercedes fahren willst, dann fahr Taxi. Ja, weil Mercedes, der war damals noch eine Luxusmarke, konnte sich lang noch nicht jeder leisten. Und wer mal in so einer Luxuskarosse fahren wollte, ist Taxi gefahren, weil es tatsächlich so war, dass die Taxibranche größtenteils in Mercedes-Taxis unterwegs war.
ERZÄHLERIN
Damals zu Beginn der Motorisierung sind Daimler und Mercedes Benz noch getrennte Firmen, aber: sie konkurrieren um das Taxigewerbe. Und die neuen Kraftdroschken verdrängen immer mehr die alten Pferdedroschken. Die sind zu langsam, fahren im Schritttempo, also um die 5 bis 6 Stundenkilometer. Also: die neuen Gefährte: Fahren immerhin im Radltempo, also um die 18 Stundenkilometer. Und werden immer luxuriöser … Die Zeit der Pferdetaxis geht spätestens in den 1920er Jahren zu Ende…
MUSIK
ZITATOR (Fallada)
Der alte Gustav Hackendahl, der Vater – denn es gab ja auch einen jungen Gustav Hackendahl, den ältesten Sohn vom gefallenen Otto; der Alte hatte ihn freilich nie gesehen –, der alte Gustav Hackendahl fand es immer schwieriger, mit einem Pferde zwei Menschen zu ernähren, nämlich sich und seine Frau.
ERZÄHLERIN
Ein Ausschnitt aus dem Roman „ Der eiserne Gustav“ von Hans Fallada. Hauptfigur ist Gustav Hackendahl, ein alter Pferdedroschkenfahrer. Das wahre Vorbild für Falladas Romanhelden: Gustav Hartmann. Den gab es tatsächlich …
12. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Gustav Hartmann ist in Berlin ein ganz geehrter und bekannter Taxifahrer gewesen.
ERZÄHLERIN
Gustav Hartmann, oder wie er im Roman heißt „Gustav Hackendahl“, leidet unter der Konkurrenz der neuen motorisierten Droschken. Er hat mit 26 Jahren ein Fuhrunternehmen in Berlin gegründet und es über 40 Jahre einigermaßen erfolgreich geleitet:
ZITATOR (Fallada)
Früher (…) konnte man mit einer Droschke sogar Kinder großziehen, wenn man sich nur ein bisschen Mühe gab, die richtigen Warteplätze aufsuchte und einen Gaul vor dem Wagen hatte, der den Leuten Vertrauen einflößte. Aber wer setzte sich heute noch in eine Pferdedroschke?
ERZÄHLERIN
Der eiserne Gustav setzt sich in der Realität am 2. April 1928 in seine alte Pferdedroschke und fährt, als Protest gegen den Untergang des Pferdefuhrwesens, nach Paris. Dort, wo der gute alte Fiaker seinen Namen herhat. Mit einem Plakat:
ZITATOR
„Der älteste Fuhrherr von Wannsee, Gründer der Wannseedroschken, erlaubt sich mit der Droschke 120 die letzte Fahrt Berlin – Paris zu machen, da das Pferde-Material im Aussterbeetat steht.“
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Erreicht hat Gustav Hartmann mit seiner Fahrt nichts. Außer, dass er in die Literatur und in die Ahnentafel der „Taxigeschichten“ eingegangen ist - Aber tatsächlich entbrennen in diesen frühen Jahren Anfang des 20. Jahrhunderts noch heftigere Streitereien. Es geht nun um das Thema, welches Auto für das Taxi das passendere sei: eines, das mit Kraftstoff betrieben wird, sprich: mit fossilem Brennstoff, oder ein, und ja, das gibt es tatsächlich von Anfang an, ein mit Strom betriebenes Automobil. Das seinerzeitige E-Taxi hatte damals immerhin schon eine Reichweite von knapp 70 Kilometern.
13. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Ja, das ist eine Geschichte, die kam jetzt wieder auf, als es jetzt darum ging, dass man eben, dass sich das Taxi wieder wandelt, also weg vom Diesel wieder zur Elektromobilität hin. Und da hat man dann diese alten Geschichten aufgegriffen, vor allem die Verfechter des Elektrotaxis, haben da gerne darauf hingewiesen, dass es ja ganz früher auch schon die ersten Elektrotaxis gab.
ERZÄHLERIN
Die E-Taxis konnten sich damals nicht durchsetzen. Sie waren im Unterhalt und im Betrieb zu teuer. Es setzte sich die Benzintaxameterdroschke durch. Für viele Jahrzehnte…
MUSIKAKZENT
ERZÄHLERIN
Die Geschichte des Taxis – zumindest in Deutschland – läuft damit lange Zeit in eine Richtung. - Im Zweiten Weltkrieg ist das Taxifahren zwar stark eingeschränkt, blüht in den Nachkriegsjahren aber wieder auf. - Das Wirtschaftswunder. Man konnte und durfte sich jetzt das Taxi wieder leisten!
MUSIKAKZENT
ERZÄHLERIN
Aber warum wurden 1971 aus den schwarzen Taxis nun weiße, hellgelbe Taxis? Jürgen Hartmann kennt den Grund:
15. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Also offiziell heißt es RAL 1015, RAL 1015, das ist der offizielle Begriff, das ist Hellelfenbein… davor waren die Taxi schwarz, das hat man abgeschafft oder ist zu diesem Hellelfenbein gegangen, aus Sicherheitsgründen, weil eben es zu der Zeit zu sehr vielen Übergriffen kam und Überfällen auf Taxifahrer, vor allen nachts und dann waren die in einem schwarzen Auto natürlich noch schlechter zu erkennen.
MUSIK (Tom Waits) Night on earth
ERZÄHLERIN
Das Taxi ist bald aus dem Alltagsbild der wachsenden Städte kaum mehr weg zu denken. Und die Geschichten, die während einer Fahrt entstehen, finden natürlich auch Einzug in die Literatur und in den Film. 1991 beispielsweise erzählt der Regisseur Jim Jarmusch in seinem Film Night on Earth 5 Episoden, die in Taxis zeitgleich in einer Nacht rund um die Welt entstehen. Im Mittelpunkt. Eigentlich immer der Taxifahrer. Oder auch….
16. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
… also die Menschlichkeit in dieser Taxibranche ist, ist unheimlich wichtig. Ja, der Chauffeur ist, ist Gesprächspartner, der Chauffeur ist Tippgeber für Leute, die eben fremd in der Stadt sind.
Wo kann man denn hingehen und so weiter? Was können Sie denn empfehlen?
MUSIK hoch und aus
ERZÄHLERIN
Heute ist das traditionelle Taxigewerbe dennoch zu einer Mindestlohnbranche geworden. Und ja, sollte es je selbst fahrende Autos geben, wäre die Branche wohl am Ende, meint Jürgen Hartmann, aber, immerhin, eine Chance gäbe es …
MUSIK
17. ZUSPIELUNG (Jürgen Hartmann)
Die Personbeförderung in einem Taxi beginnt und endet nicht am Randstein, sondern da steckt viel, viel mehr dahinter.
Also unsere Branche macht zu einem ganz großen Prozentsatz, vor allem im ländlichen Bereich, die sogenannten Krankenfahrten. Ja, das heißt, es sind also Fahrten, die von der Kasse bezahlt werden, wo Patienten zur notwendigen Dialyse gefahren werden dreimal die Woche, wo sie zur notwendigen Bestrahlung gefahren werden nach einer Krebsbehandlung und so weiter. Man hilft vielleicht, viele sitzen im Rollstuhl, man setzt sie um oder sie müssen sogar im Rollstuhl sitzen, befördert werden. Dafür hat sich die Taxibranche entsprechende Fahrzeuge angeschafft, die dann eben die entsprechende Vorrüstung haben, also sprich ein Rollstuhl auch transportieren können und so weiter. Also das sind Dinge, solange das existiert oder notwendig ist in der Gesellschaft, solange wird es auch ein Taxi brauchen und geben