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Andreas Beyer – Cellini. Ein Leben im Furor

4 min • 25 februari 2025
Auf den Komponisten Arnold Schönberg geht das Bonmot zurück, dass Kunst nicht von ‚Können‘, sondern von ‚Müssen‘ komme – womit er vor allem die Vorstellung dekonstruierte, ein souverän agierender und in sich ruhender Mensch handle frei von materiellen Sorgen und körperlichen Beschwerden im Dienste des Guten, Wahren, Schönen. Dass große Kunst jedoch immer auch mit Schmerzen, Versagensängsten und unbeherrschten Gefühlsausbrüchen zu tun hat, dafür steht wie kaum ein anderer der Florentiner Benvenuto Cellini, von dessen Autobiographie Goethe nicht zuletzt deshalb begeistert war – und sie ins Deutsche übersetzte –, weil Cellini sein Leben selbst zum Kunstwerk stilisierte. Und dies ist auch der Ansatz, unter dem der Kunsthistoriker Andreas Beyer dem Goldschmied und Bildhauer Cellini ein Buch widmet, das den Untertitel ‚Ein Leben im Furor‘ trägt. Nicht nur die Werke des Florentiners stehen hier im Mittelpunkt, sondern vor allem die Umstände, die sie entstehen ließen. Und zu diesen gehört ein überaus widersprüchlicher und aufbrausender Charakter, den Giuseppe Baretti, der Wiederentdecker der Autobiographie des Künstlers, wie folgt beschrieb: „Kühn wie ein französischer Artillerist, rachsüchtig wie eine Viper, überaus abergläubisch, voller bizarrer Einfälle und Launen.“ 

Dem Herrscher ebenbürtig  

Und gewalttätig war er: Andreas Beyer schildert die Umstände der drei Morde, die Cellini im Laufe seines Lebens beging und die immer im Zusammenhang mit der Entstehung eines seiner Werke standen. Es sind diese Werke – ob das berühmte ‚goldene Salzfass‘ für den französischen König François I oder der die Medusa tötende Perseus für den Medici-Herzog Cosimo I. –, welche dem Künstler in der frühen Neuzeit eine dem souveränen Herrscher ebenbürtige Stellung verschafften, nämlich über dem Gesetz; mit den Worten Andreas Beyers:  
Die plenitudo potestatis des Künstlers, seine nur Fürsten vergleichbare Souveränität, findet in Cellini einen ihrer selbstbewusstesten Träger.

Quelle: Andreas Beyer – Cellini. Ein Leben im Furor

Der Künstler als Verbrecher 

Andreas Beyers Berliner Kollege Horst Bredekamp hat vor einigen Jahren den bezeichnenden Titel „Der Künstler als Verbrecher“ für einen Vortrag gefunden, in dem er die Ästhetik vieler Künstler der frühen Neuzeit – wie Veit Stoß, Michelangelo oder Bernini – als Garantin ihrer Rechtsenthobenheit analysierte. Und Beyer zeigt, wie radikal diese Kunst-Souveränität von Cellini beansprucht und gelebt wurde. Gleichzeitig macht er deutlich, dass diese Sonderstellung Ausdruck eines überaus modernen Künstler-Selbstbewusstseins ist – modern im Sinne der berühmten Pariser Querelle des 17. Jahrhunderts, in der die Überlegenheit des französischen Klassizismus über die Antike gepriesen wurde. Mehr als ein Jahrhundert früher preist der französische König Cellinis Jupiter-Darstellung dafür, dass dieses Werk jedem Vergleich mit antiken Vorbildern nicht nur standhalte, sondern diese sogar überträfen.  Daneben betont Beyer einen anderen, nicht weniger wichtigen Aspekt dieses exemplarischen Künstlerlebens, wenn er von der „künstlerischen Übertragungsleistung“ Cellinis spricht; mit dieser habe er offenbar kompensiert, was er weder öffentlich leben noch verbal zum Ausdruck bringen konnte. So manifestiert sich laut Beyer im ‚Perseus‘, der bis heute eine der Attraktionen der Loggia dei Lanzi im Herzen von Florenz ist, die Einlagerung der erotischen Energie des Künstlers als symbolischer Schöpfungsakt:  
Cellini hat das Primat der unmittelbaren Herleitung der Kunst aus der Natur betont und so die zeitgenössische Doktrin von der nur geistigen Hervorbringung der Kunst konterkariert.  

Quelle: Andreas Beyer – Cellini. Ein Leben im Furor

Einzelgänger und Außenseiter 

À propos erotische Energie: Wie frauenverachtend, ja gewalttätig der bis in sein 62. Lebensjahr ewige Junggeselle Cellini war, erläutert Beyer an verstörenden Erzählungen aus diesem Leben, als dessen Konstante Uwe Neumahr in seiner 2021 zum 450. Todestag erschienen Cellini-Biographie den ewigen Kampf ausmachte. Ein Kampf, den er womöglich kämpfen musste, weil er ihm die Energie zu seiner außergewöhnlichen Kunst gab – die er schaffen musste. Als einen notorischen Einzelgänger und ewigen Außenseiter beschreibt ihn Andreas Beyer im letzten Satz seines Buches – und als einen, „der in seiner Vereinzelung zur Essenz modernen Künstlertuns geworden war.“   
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