SWR Kultur lesenswert – Literatur
Der Cowboy ist mit dem Staat aneinander geraten, mit dem Kommunismus. Aber tragischerweise sagt er immer noch von sich, bis in die 70er, 80er Jahre hinein: Ich bin Kommunist. Was bleibt mir auch anderes übrig? Und er glaubt an Jugoslawien, an die Gemeinschaft der südslawischen Völker. Trotz der Tatsache, dass er auf dieser Insel gesessen hat.Quelle: Clemens Meyer – Die Projektoren
Die Wintermorgen waren sehr dunkel, und er lief durch die Straßen Richtung Schule, Richtung Zeitungskiosk, und er sah die Schemen der anderen Schulkinder auf anderen Fußwegen, in den Seitenstraßen, wie durch einen Nebel, denn die Kälte drückte den Rauch in die Straßen des Viertels, in die Straßen der Stadt, der morgendliche Kohleatem der Häuser, Schornstein an Schornstein, schwarzrote Ziegeldächer, gesprenkelt vom Schnee, den der Rauch der Fabriken schwarz gefärbt hatte im langsamen Fall der Flocken; große Fabriken, Kombinate, Heizkraftwerke lagen um die Stadt herum.Quelle: Clemens Meyer – Die Projektoren
Diese Figur – Georg – ist sieben Jahre älter als ich. Der ist Jahrgang 1970. Aber dass es in der DDR Neonazismus gab, dass diese maroden, kaputten Städte der DDR, dass da auch moralische Kaputtheiten und gesellschaftliche Kaputtheiten unter dem Deckmantel des Sozialismus stattfanden, das war mir immer bewusst. Und das gehörte da für mich hinein.Quelle: Clemens Meyer – Die Projektoren
Der Vater des Cowboy liest ihm schon in den 40er oder 30er Jahren ein Buch vor – oder zeigt ihm ein Buch, wo erwähnt wird, dass dort angeblich „Doktor May“ gesessen hätte. Denn der wäre ja verrückt. Und den soll er gar nicht lesen. Er soll lieber Kleist lesen, Heine und Büchner – und nicht den Doktor May. Der war verrückt. Der hat schon bei diesem Doktor Güntz gesessen, 1870 oder so. Da taucht das auch schon auf. Die sind überall unterwegs, die verrückten Dottores.Rätsel, Grotesken, Verwirrspiele. Wer „Die Projektoren“, einen Roman von über 1.000 Seiten, in wenigen Sätzen angemessen wiedergeben will, scheitert unweigerlich. Die kühne literarische Konstruktion erlaubt gar nichts anderes. Kurz vor dem deutschen Überfall auf Jugoslawien im Frühjahr 1941 unterhält sich der Junge, der später zum Cowboy wird, mit seinem Vater über den Unterschied zwischen Film und Literatur. Der moderne Roman, so heißt es da, sei ein Monolith, ein Chaos aus Stimmen. Genau das führt Clemens Meyer vor. Und vermag es, das Chaos erzählend lustvoll zu bändigen.Quelle: Clemens Meyer – Die Projektoren