Eva entscheidet sich. Für Erkenntnis und Lust. Für Mut.
Die Konsequenzen nimmt sie in Kauf. Nehme ich Eva ernst,
ist die Vertreibung aus dem Paradies nicht Rauswurf, sondern
Auszug. Der Ausgang des Menschen in die Zeit. In Sterblichkeit.Quelle: Daniela Seel – Nach Eden
Vom Garten ist es nicht weit zur Plantage mit ihrer Sklav:innenarbeit,Daniela Seel blickt in ihren Gedichten auf Versuche, Unbegrenztes, Unbequemes und Unberechenbares einzuhegen, seien es Tiere und Pflanzen unbekannter Arten, seien es Frauen im Mittelalter, die als Hexen verbrannt wurden, seien es die Naturvölker, die Alexander von Humboldt auf seinen Reisen mit dem Blick der Kolonisators erforschte, seien es besonders bedürftige Kinder unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, seien es spätgebärende Frauen, deren Schwangerschaften als Risiko betrachtet wird:
Ausbeutung, Raub. Für und gegen wen will Garten Eden sein, Paradies –
das sich herüberliest von awestisch pairi daēza, »Einhegung«, »umwallt«?Quelle: Daniela Seel – Nach Eden
Als meine Kinder geboren werden, bin ich 43 und 45
Jahre alt. Risikoschwangerschaften der Statistik nach.
Aber auf welches Risiko wird hier gezielt?
Bei der obligatorischen Frühdiagnostik frage ich
den Arzt, ob sich durch gesündere ältere Mütter
und höhere Lebenserwartung nichts geändert habe.
Ohne aufzublicken, sagt er nein.Quelle: Daniela Seel – Nach Eden
Die Befunde bleiben »unauffällig«.Daniela Seel greift Themen auf, die in der Geschichte des Feminismus seit jeher Gewicht haben. Doch sind es nicht nur die Themen, die ihre Gedichte so wirkungsvoll machen. Vor allem durch unterschiedliche Register, die hier gezogen werden, um verschiedene Stimmen zum Klingen zu bringen, entsteht eine große Intensität. Mal spricht ein Totengräber der Idsteiner Pflegeeinrichtung Kalmenhof, die zur Zeit des Nationalsozialismus Zwischenanstalt für das Tötungslager Hadamar war:
Hätte ich mich für Abtreibung entschieden,
wenn nicht? Wäre ich dazu gedrängt worden
und von wem, bei welchem Befund?Quelle: Daniela Seel – Nach Eden
was wollt ich machen, gell. Hätt ichs nicht gemacht,
wärs auch mei eigens Leben gegange. Und dann,
wo hätt ich auch hingewollt, ich hat ja mit die Außenwelt gar keinen KontaktQuelle: Daniela Seel – Nach Eden
Mama, ich höre die Bäume. Ich höre die Bäume singen.Aus dieser Vielstimmigkeit bei fortwährender Konzentration auf das lyrische Ausgangsmotto „Eva ernst nehmen“ liegt mit „nach eden“ ein Gedichtband vor, der bewegt, produktiv befremdet und einiges riskiert.Quelle: Daniela Seel – Nach Eden