Schon als Kind hatte er vermutet, dass er beim Erwachsenwerden vieles von dem vergessen würde, was für das Leben, das glückliche Erleben des Alltags, unverzichtbar war. Wie zutreffend war diese Intuition gewesen, wie begründet seine panische Angst davor, erwachsen zu werden. Er würde vergessen und sich selbst untreu werden, das hatte er befürchtet.Quelle: Eric de Kuyper – An der See
In den ersten Jahren nach dem Krieg waren die Häuser am Zeedijk fast alle vernagelt. Manche waren total zerstört, andere standen nur leer und waren unbewohnt. Von Jahr zu Jahr zeigten sie mehr Anzeichen von Leben: Hotels, Restaurants und Café-Terrassen öffneten, und kleine Läden kamen hinzu, in denen Postkarten, Fischernetze, Bälle, Tennisschläger, Badeanzüge, -kappen und Sonnenöl verkauft wurden.Für den jungen Ich-Erzähler stellen die Wochen am Strand das eigentliche Leben dar: Die Sinne sind geschärft, er beobachtet das Treiben um sich herum, die Verhaltensweisen der Erwachsenen, deren Benehmen untereinander, deren Schwärmereien und Genervtsein, den gedankenverlorenen Blick rüber zur englischen Küste. Er erinnert sich an die endlosen Stunden des Spiels und Müßiggangs, an Freundschaften und die ersten erotischen Impulse, ritualisierte Freuden und überraschende Wendungen. Ostende ist Paradies und Schule in einem, eine sich endlos dehnende Zeit des Sammelns von Eindrücken und Empfindungen.Quelle: Eric de Kuyper – An der See
…denn sie lebten schließlich einen ganzen Sommer lang am Strand, und zwar jedes Jahr, seit Menschengedenken und für immer und ewig.Für immer und ewig, manchmal sogar in den geruhsamen, merkwürdig ereignislosen Tagen außerhalb der Saison – denn für das kränkliche Kind ist die Luft an der See auch eine Therapie. Dass der ältere Erzähler mit einer gewissen Schwermut zurückschaut, verwundert nicht und ist ihm nicht zu verdenken: Der Kindheit wohnt eine pralle, gedankenlose Gegenwärtigkeit inne, die der Schreibende durch die Sprache zurückbringen muss. Das Wunder des puren Daseins am Meer – es kann heraufbeschworen, aber nicht neuerlich erlebt werden. Eric de Kuyper gelingt die sprachliche Vergegenwärtigung auf betörende Weise. Das liegt an seiner Fähigkeit, das jugendliche Ich in diesen autobiographischen Aufzeichnungen nicht zu sehr durch Erfahrungen des Erwachsenen zu trüben, seine Lust und Angst nicht nachträglich zu verniedlichen; und es gelingt ihm durch einen feinen Humor, der gerade in den Schilderungen von Tanten und Onkeln, Cousinen und Cousins aufblitzt und eine Stimmung erzeugt, die in uns nur einen Wunsch entfacht: sofort ans Meer zu fahren und in Erinnerungen zu baden.Quelle: Eric de Kuyper – An der See