SWR Kultur lesenswert – Literatur
Meer und Wald-in diesen beiden Worten liegt der Zauber Müritz. Still und friedlich ist Müritz, kein Luxusbad, doch auch nicht altmodisch, sondern ein wirkliches Erholungsbad.Für Franz Kafka wird der verträumte Ort an der Ostsee mit viel Wald und Wellen, Sonne und Strand einen letzten, ungeahnten Sommer bereithalten: vier Wochen des Jahres 1923, die sein Leben noch einmal und grundlegend verändern. Davon ahnt Kafka noch nichts, als er sich am 10. Juli auf die Reise begibt. Es geht ihm sehr schlecht.Quelle: Günter Karl Bose – Kafka im Ostseebad Müritz (1923)
Die schrecklichen Zeiten, unaufzählbar, fast ununterbrochen. Spaziergänge, Nächte, Tage, für alles unfähig außer für Schmerzen.notiert der Niedergeschlagene am 12. April 1923 in sein Tagebuch. Wenige Wochen später aber wagt er zusammen mit seiner Schwester Elli und deren Kindern die Fahrt nach Müritz. Sie wohnen im Haus „Glückauf“, Kafka bezieht ein Zimmer im zweiten Stock mit Blick auf den Wald.Quelle: Franz Kafka
50 Schritte von meinem Balkon ist ein Ferienheim des jüdischen Volksheims in Berlin. Durch die Bäume kann ich die Kinder spielen sehen. Fröhliche, gesunde, leidenschaftliche Kinder. Die halben Tage und Nächte ist das Haus, der Wald und der Strand voll Gesang. Wenn ich unter ihnen bin, bin ich nicht glücklich, aber vor der Schwelle des Glücks.Quelle: Franz Kafka
Als ich von meiner Arbeit aufblickte – der Raum hatte sich verdunkelt, es stand jemand draußen vor dem Fenster – erkannte ich den Herrn vom Strand wieder . Dann trat er ein – ich wusste nicht, dass es Kafka war und dass die Frau, mit der ich ihn am Strande zusammen gesehen hatte, seine Schwester war. Er sagte mit sanfter Stimme: ‚So zarte Hände, und sie müssen so blutige Arbeit verrichten!‘Quelle: Dora Diamant
Sie ist die erste Frau, mit der er sich ein gemeinsames Leben vorstellen kann, ein „anderes Leben“ in Berlin, nicht in ferner Zukunft, vielleicht im nächsten Monat schon. Nun hat er dafür eine „Komplizin“ gefunden. Erzählen wird er es niemandem. Noch können die Dämonen, die seit Jahren seinen Spuren folgen, die Pläne durchkreuzen.befürchtet mit Kafka der in Wort und Gestaltung feinsinnige Günter Karl Bose. In seinem wunderbar gestalteten Buch „Franz Kafka im Ostseebad Müritz (1923)“ beschreibt und bebildert der Germanist und Typograf die letzte große Vision des todgeweihten Autors.Quelle: Günter Karl Bose – Kafka im Ostseebad Müritz (1923)