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Harald Meller, Kai Michel, Carel van Schaik – Die Evolution der Gewalt

4 min • 3 februari 2025
Der Mensch führt Krieg, immer wieder und weiter, und das trotz der ganz großen Schrecken des vergangenen Jahrhunderts. Dabei muss er gar nicht. Weder seine genetische Veranlagung noch das schlechte Beispiel des Brudermords von Kain an Abel zwingen ihn dazu. Das stellen Harald Meller, Kai Michel und Carel van Schaik gleich am Anfang ihres Buches „Die Evolution der Gewalt“ klar. Darin gehen sie entlang der Menschheitsgeschichte der Frage nach: „Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen“. Und von vornherein machen sie deutlich, dass sie die verbreitete Ansicht, der Mensch sei eben von Natur aus ein kriegerisches Wesen, mit aller Entschiedenheit widerlegen wollen. 

Kriegerische Schimpansen, friedfertige Urmenschen 

Zu diesem Zweck stützen sie sich zunächst auf die Erkenntnisse der Evolutionären Anthropologie und Primatologie. Woraus sich für unsere nächsten Vorfahren allerdings ein eher bedenkliches Bild ergibt: 
Die Schimpansen leben im permanenten Zustand eines latenten Krieges. Zwischen Schimpansen-Gemeinschaften gibt es keinen Frieden. 

Quelle: Harald Meller, Kai Michel, Carel van Schaik – Die Evolution der Gewalt

Trotzdem bleiben die Autoren zuversichtlich, denn die Archäologie liefert günstigere Indizien für ihre Kernthese, dass der Krieg kein Menschenschicksal sei. Zwar weisen Schädel, Skelette und Knochen aus urgeschichtlichen Grabstellen oft zahlreiche Spuren von Gewalttaten auf, aber von regelrechten Kriegen kann da noch keine Rede sein. Wandernde Wildbeutergruppen setzten eher auf Kooperation und wenn größere Konflikte hochzukochen drohten, konnte man sich in den dünn besiedelten Landschaften der Steinzeit leicht aus dem Wege gehen.  

Kriegskunst als Erwerbskunst 

Das änderte sich dann mit Landwirtschaft, Sesshaftigkeit, Staatenbildung und der Inthronisation von Herrschern, die ihren Ruhm und Reichtum mehren wollten. Der griechische Philosoph Aristoteles brachte es so auf den Punkt:  
Darum ist auch die Kriegskunst von Natur aus eine Art Erwerbskunst, die man anwenden muss gegen Tiere und gegen Menschen, die von Natur aus zum Sklavendienst bestimmt sind.

Quelle: Harald Meller, Kai Michel, Carel van Schaik – Die Evolution der Gewalt

Krieg als Zivilisationsprodukt 

Hier kommen nun nach der Anthropologie und der Archäologie die Geschichts- und Religionswissenschaften zur Geltung. Sie erklären die Rolle von Herrschern, Göttern und Staatsdenkern bei der offenbar unaufhaltsamen Herausbildung der „Kriegsmatrix“, wie die Autoren das nennen. Zugleich betonen sie jedoch: 
Es ist eben nicht der Krieg aller Menschen. Es ist der Krieg von Staaten: Herrscher ziehen in den Krieg, Untertanen werden in den Krieg gezwungen. Der total gewordene Krieg ist ein Zivilisationsprodukt.  

Quelle: Harald Meller, Kai Michel, Carel van Schaik – Die Evolution der Gewalt

Als Evolutionsgeschichte der Gewalt ist das Buch, ungeachtet kleinerer Unstimmigkeiten, informativ, lehrreich und spannend zu lesen. Weniger gut steht es um die schöne These von der ursprünglichen Friedfertigkeit der steinzeitlichen Menschen, auch wenn die Autoren mehrfach darauf verweisen, dass die Menschheit während 99 Prozent ihres Erdenwandels ohne Kriege ausgekommen sei. Der Vorschlag, daraus Folgerungen für heute abzuleiten, muss angesichts einer fünftausendjährigen Geschichte von kriegsgeprägten Zivilisationen als ziemlich unhistorisch erscheinen. Trotzdem kann der politische Rat, den die Autoren zum Schluss geben, im Sinne von Aufklärung und Menschlichkeit nützlich sein. Der Krieg, so sagen sie, ist weder naturgegeben noch gottgewollt, sondern meist von einseitigen Interessen geleitet. Und darum sei es wichtig, denen genau auf die Finger zu sehen, die ihn führen wollen.  
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