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Jorge Comensal – Diese brennende Leere

4 min • 3 mars 2025
Mexiko-City im Jahr 2030: Ein Großbrand im Stadtwald Bosque de Chapultepec verwüstet den Friedhof Panteón Civil de Dolores, wo sowohl Berühmtheiten als auch Namenlose begraben sind. Außerdem zerstört das Feuer den Zoo der mexikanischen Hauptstadt – und alle Tiere, bis auf ein Emu-Küken, sterben. Vor dem Hintergrund dieser imaginierten Katastrophe erzählt Jorge Comensal in seinem Roman „Diese brennende Leere“ zwei Lebensgeschichten, die von Karina und Silverio, die sich irgendwann kreuzen.  

Schmerzhafte Suche nach der Wahrheit 

Karina ist eine 25-jährige Physikerin. Sie forscht zu einer neuen Theorie der Schwerkraft und lebt seit frühester Kindheit bei ihrer dem Whisky verfallenen Großmutter Rebeca. Karinas Eltern haben ein Grab auf dem Panteón Civil de Dolores. Als die junge Frau den Verdacht schöpft, dass Vater und Mutter gar nicht gemeinsam bei einem Verkehrsunfall gestorben sind, wie man ihr immer erzählt hat, macht sie sich auf die schmerzhafte Suche nach der Wahrheit.  
Sie kann nicht glauben, dass Rebeca, die geschwätzigste Frau der Welt, all die Jahre ein Geheimnis vor ihr bewahrt hätte. Was kann ihre Mutter verbrochen haben, dass ihre Großmutter sie derart hasst? Dieser Groll würde erklären, warum sie ihr hartnäckig jedes Andenken verweigert. (Mit keinem Wort erwähnt ihre Großmutter die verstorbene Schwiegertochter.) Als hätte sie nie existiert. 

Quelle: Jorge Comensal – Diese brennende Leere

Silverio wiederum ist Friedhofswärter und hat in der Nacht des verheerenden Brandes Dienst. Nachdem er sich mit Mühe und Not vor den Flammen gerettet hat, sitzt er erschöpft im Wachhäuschen – da ruft ihn seine Teenager-Tochter Daenerys an, mit der er eigentlich keinen Kontakt hat.  
Ich mache mir solche Sorgen um die Giraffen, die Flamingos, die Kalifornischen Kondore, sie stehen auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten.“ – „Hör mal, meine Tochter …“ – Silverio waren die vom Aussterben bedrohten Tierarten sowas von egal –  
„… als ich eben glaubte, mein letztes Stündchen hätte geschlagen, habe ich ganz doll an Dich gedacht. Ich will, dass wir uns häufiger sehen. Ich rede mit deiner Mamá, damit sie da nichts gegen hat, ja? Es ist nicht richtig, dass du so gar nichts von deinem Papá hast.“  

Quelle: Jorge Comensal – Diese brennende Leere

Neue Vater-Tochter-Beziehung 

Die neue Vater-Tochter-Beziehung, die sich aus Daenerys‘ Sorge um die Tiere des Zoos entwickelt, ist so ungefähr das einzig Schöne, das in Silverios Leben passiert. Ansonsten kämpft er mit finanziellen Problemen und Süchten, muss Schutzgeld für seinen Bruder zahlen –  einen Auftragsmörder hinter Gittern – und sich um seine depressive Mutter kümmern.   Von den Sorgen, Nöten und Tragödien der beiden einsamen Großstadt-Bewohner Silverio und Karina erzählt Jorge Comensal in einer frischen, unverblümten und dialogreichen Sprache. Es gibt in seinem Buch auch viel Situationskomik – all das verhindert, dass die Handlung ins allzu Schwere abgleitet. Spannend ist der Roman zudem: Wir wollen wissen, was mit Karinas Eltern wirklich passiert ist. Und dadurch, dass der Roman auf verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringt, fordert er sie Lesenden.  

Extremhitze, Wassermangel, tödliche Flammen 

Das Interessanteste an dem Roman aber ist das Zukunftsszenario, das Comensal entwirft. Es ist eben keine in weiter Ferne liegende Apokalypse – beklemmend und zugleich völlig abstrakt. Der Autor schaut nur wenige Jahre voraus und hat mit 2030 sicher nicht zufällig das Jahr gewählt, das die Staatengemeinschaft als Zielmarke für nachhaltige Entwicklung gesetzt hat. Der Tod der Zoo-Tiere kann als Allegorie auf das globale Artensterben verstanden werden. Aber er erscheint auch sehr real – angesichts der Brände von Los Angeles mit ihren katastrophalen Folgen.   Extremhitze, Wassermangel und tödliche Flammen: Als Jorge Comensal „Diese brennende Leere“ 2022 in Mexiko veröffentlichte, konnte er nicht ahnen, dass die Wirklichkeit die Zukunftsfiktion bereits drei Jahre später übertreffen würde. Trotzdem oder gerade deshalb ist diese literarische Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels originell und lesenswert.
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