da ist die hosentasche, da der strohhalm, da das feuerzeug in„Gute Enden“ heißt der neue Gedichtband von Max Czollek – ein Titel wie eine Irreführung, denn es ist ja gar nichts gut in unserer Gegenwart und wird wahrscheinlich auch nicht gut enden. Seit dem erweiterten Angriffskrieg auf die Ukraine, seit dem 7. Oktober 2023, seit Hanau oder seit dem Treffen Rechtsradikaler in Potsdam – ist die Hoffnung endgültig verschüttet, dass die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts beendet wurde. „Und plötzlich sind wir in einer Situation, die auf so vielen Ebenen klar macht, wir sind jenseits dieser Guten Enden. Und welche Sprache, auch welche Sprache für die Emotionen, die das auslöst, brauchen wir jetzt eigentlich? Und ich habe schon den Eindruck - und aus diesem Eindruck heraus ist glaub ich auch dieser Gedichtband gehoben, wenn man so will – dass wir in einer ziemlich heftigen Verleugnungsphase gerade sind: wir wollen uns dieser neuen Realität nicht stellen.“
der zigarettenschachtel aus papier, das ist unser land,
unberechenbar wie april
das ist unser körper, eine durchgeschüttelte flasche krimsekt,
die wir huckepack richtung morgenlicht tragenQuelle: Max Czollek – Gute Enden (Gedicht: Gemeinsame Kriege)
manche stehen schon in flammen / andere riechen nicht einmal den rauch.In dem Eröffnungsgedicht des Bandes „Eigentlich hätten wir ja den Reichstag stürmen müssen“ werden die Ereignisse in einem poetischen Akt des Widerstands umgedichtet. Lyrik als Ort der Trauer, aber auch als Möglichkeit, für einen Moment die Dinge umzukehren:Quelle: Max Czollek – Gute Enden
treffen uns am wannsee, laden alle ein
die verstreut auf feldern, unter trümmern verschüttet
verbrannt in wohnungen, aus straßenbahnen geschleudert
abschied genommen haben
schreiben tausendfach:
wir vermissen euch, wir sind weiter
ohne jede fassung, wir hätten euch verdammt
nochmal gebraucht all die tage, jahreQuelle: Max Czollek – Gute Enden (Gedicht: Eigentlich hätten wir ja den Reichstag stürmen müssen )
denke meine gedichte als lunte, die in eure herzen reicht. eure„Ich schreibe doch keinen ganzen Gedichtband über die Guten Enden oder das, was danach kommen wird, wenn es mir egal wäre. Ich glaube, es gibt eine große Trauer, die im Zentrum meiner Arbeit steht, die ist familiär, die ist über Generationen jetzt weitergegeben worden – und diese Trauer wächst natürlich auch aus einem großen Verlust. Sicher auch aus einer großen Liebe zu dem, was nicht mehr da ist oder zu dem, was man verliert gerade - immer und immer wieder. Und was das eigentlich heißt, dass diese Dinge einem andauernd verloren gehen? Und ich glaube, sich darüber immer wieder zu empören, dieses Gefühl nicht fallen zu lassen – das scheint mir doch eine Aufgabe meiner Kunst zu sein, vielleicht auch eine Aufgabe einer Kunst, die mich interessiert.“ „Gute Enden“ ist ein Buch der Unruhe - ein großer Gedichtband, der an der Erkenntnis festhält, dass wir durch die Trauer und Traurigkeit hindurchmüssen. Sprache, die klarmacht, nur so sind die Kontinuitäten von der Gewalt der Geschichte zu verstehen. Gedichte, die auf schreckliche Weise gegenwärtig sind und zum Glück gekommen, uns zu stören.
ohren als letztes streichholz in meiner aufgeweichten packungQuelle: Max Czollek – Gute Enden (Gedicht: Unsere gemeinsamen Kriege)