SWR Kultur lesenswert – Literatur
»In dem Haus ist mein ganzes Leben.« Er schnaubt. »In dem Haus ist dein ganzes Leid.« Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht. Ich bleibe zurück, sehe ihm hinterher. Der Himmel zieht zu. Wir haben beide recht.Gudelia – das wird in Thomas Knüwers Kriminalroman von Anfang an deutlich – hat etwas zu verbergen. Was genau? Das erzählt Knüwer auf drei Zeitebenen: Im Jahr 1984 stirbt Gudelias 15-jähriger Sohn Nico, nachdem er mit Schulfreunden auf einer Party war. Im Straßengraben findet sie ihn. „Schwuchtel“ steht auf seinem Unterarm mit Edding geschrieben. Vierzehn Jahre später – also 1998 – zerbricht ihre Ehe. Ihr Ehemann hat schon immer viel getrunken. Aber seit dem Tod seines Sohnes hat er kaum etwas anderes gemacht. In der Erzählgegenwart 2024 setzt das Hochwasser ein. Gudelia bewacht ihr Haus und sieht in der Nacht die Leichen zweier Menschen, deren Hände mit Kabelbindern gefesselt sind.Quelle: Thomas Knüwer – Das Haus in dem Gudelia stirbt
Beim Abendessen war draußen kein Mensch mehr. Die Straßen hatten Autos durch Wasser ersetzt. Ich habe mir ein Spiegelei gebraten und auf eine Scheibe Graubrot mit Butter und Schinken gelegt. Strammer Max. Habe ich Heinz und Nico oft gemacht. Schnell, einfach, sättigend. Für Nico mit Ketchup, für Heinz mit Bier.Quelle: Thomas Knüwer – Das Haus in dem Gudelia stirbt
Niemand darf hier sein. Niemand. Hinter dem Garten stehen drei Fichten. Bernhards Rhododendron ist gut gewachsen. Höher, als ich groß bin. Die Blätter glänzen braun, sie stinken. Der Garten hat die Fluten überstanden und mit Schönheit bezahlt. Die Pflanzen sind stark. Sie verbergen, was der Riss offenbart – was ich seit vierzig Jahren verstecke.Das Szenario, das Thomas Knüwer entwirft, ist erschreckend nah an der Realität, nicht nur eines Lebens in einem Dorf. Erst im Sommer gab es Hochwasser in Süddeutschland. Die Bilder von Wassermassen, überfluteten Häusern und zerstörten Gebäuden übermitteln aber nicht den bestialischen Gestank, der sich durch überflutete Gebiete zieht. In Unterlingen entstanden durch Schweinekadaver, Dreck und übergelaufene Kanalisation. Für Gudelia ist dieser Gestank eine Waffe. Er hält unerwünschte Eindringlinge fern. Doch gegen das Wasser gibt es kein Mittel. Unerbittlich dringt es in jede Ritze des Hauses ein. Und spült in diesem packenden Kriminalroman die ganzen dreckigen Geheimnisse nach oben.Quelle: Thomas Knüwer – Das Haus in dem Gudelia stirbt