Gehen oder bleiben? Bis Ende 1939 mussten sich die deutschsprachigen Südtiroler entscheiden: Umsiedeln ins Nazi-Reich oder ihre Kultur aufgeben. Viele hat es zerrissen.
Im Juni 1939 beschließen Rom und Berlin die Umsiedlung so genannter Volksdeutscher aus der zu Italien gehörenden Provinz Südtirol. Auch Ladiner können optieren. Sie sind eine ethnische Randgruppe mit eigener Sprache, hauptsächlich in den Tälern der Dolomiten, aber auch im Trentino und in Venetien.
Am 21. Oktober 1939 werden drei Verträge geschlossen, sie regeln genaue Details. Die betroffenen Menschen, zwischen 200.000 und 250.000, bekommen Zeit bis zum Jahresende, um sich zu entscheiden: bleiben oder gehen.
Dableiben oder gehen - für viele Südtiroler ist das eine Wahl, die sich innerlich zerreist. Man kann sich für Deutschland entscheiden, fürs "Volkstum", wie das damals heißt, fürs Nazi-Reich - und verliert Haus, Hof und die Heimat.
Oder man entscheidet sich fürs Bleiben, was als Bekenntnis zur italienischen Nation gilt. Dann muss man die Muttersprache aufgeben, Kultur und Traditionen verleugnen. Die große Mehrheit, 86 Prozent, stimmt für Abschied und ein neues Leben auf der anderen Seite des Brenners.
Deutschland lockt mit einer besseren wirtschaftlichen Perspektive. Man verspricht den deutschsprachigen Südtirolern das Blaue vom Himmel.
Die meisten, die gehen, kommen aber grad mal bis Innsbruck oder Kufstein, vielleicht noch nach Niederösterreich. Junge Männer werden gleich von der Wehrmacht geholt. Familien bringt man in eilends gebauten Südtirolersiedlungen unter. Und manchmal tatsächlich auf einem Hof. Gedanken an die Vorbesitzer schieben die Umsiedler beiseite. Die an vertriebene Juden auch.
In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck: