Ein US-Wissenschaftler will 1934 herausfinden, warum sich Menschen früh den Nazis angeschlossen haben. Er verspricht 125 Reichsmark für den glaubwürdigsten Aufsatz begeisterter Hitler-Anhänger - und die schreiben gerne drauflos...
Das Preisausschreiben um die beste Nazi-Geschichte wird nicht etwa von der NSDAP ausgeschrieben. Es findet unter der Schirmherrschaft der New Yorker Columbia University statt. Die Idee dahinter: Der US-Forscher Theodore Abele will mit den persönlichen Geschichten die Amerikaner über Nazi-Deutschland informieren. Auf einer Deutschlandreise hatte er bemerkt, dass viele Hitler-Anhänger nach dessen Machtübernahme gerne über ihre schon lange währende Gesinnung plaudern.
"Jede Person, unabhängig von Geschlecht oder Alter, die vor dem 1. Januar 1933 Mitglied der nationalsozialistischen Partei war oder mit der Bewegung sympathisiert hat, kann an diesem Wettbewerb teilnehmen." So erscheint der Aufruf im Frühsommer 1934 in verschiedenen NSDAP-Parteiblättern, für die beste Nazi-Geschichte winken 125 Reichsmark.
Zum Einsendeschluss am 1. September 1934 werden 683 Beiträge eingeschickt. Sie zeigen, dass Arbeiter und Adelige, Krankenschwestern und höhere Töchter zu den frühen Nationalsozialisten zählen. Triumphierend beschreiben die Hitler-Anhänger, wie sie in den 20er Jahren verlacht und ausgegrenzt worden sind, aber niemals an der Mission Hitlers gezweifelt haben. Ihre Nazi-Begeisterung resultiert aus einer Kränkung über den verlorenen Krieg, der Sehnsucht nach einem starken Führer, die Angst vor einem sozialen Abstieg, völkischen Fantasien – und einem tiefen Antisemitismus.
Als Theodore Abel 1938 sein Buch "Why Hitler came into Power" herausbringt, ist das Interesse an den Geschichten jedoch gering. Längst ist den US-Amerikanern klar, dass Nazi-Deutschland zu einer großen Bedrohung geworden ist und Krieg in der Luft liegt.
In diesem Zeitzeichen erzählt Christiane Kopka: