Ein wirklich witziger Schriftsteller, ein Dandy, ein Rebell im prüden viktorianischen England: Am 16.10.1854 wird Oscar Wilde geboren.
Oscar Wilde stammt aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus, die Mutter ist eine Individualistin, sie nennt sich selbst "Speranza", das heißt Hoffnung. Sie hat literarische Ambitionen, unterhält einen Salon und liebt extravagante Kostüme.
In ihrem Salon begegnet der junge Oscar Künstlerinnen und Schriftstellern. Er studiert zunächst in Dublin, dann in Oxford. Ab 1887 entstehen seine literarischen Meisterwerke: Etwa seine Theaterstücke "Salomé", "Ein idealer Gatte" und "Bunbury - Ernst sein ist alles". Wilde schreibt Essays und sein berühmtes Buch "Das Bildnis des Dorian Gray".
Darin verführt der Dandy Lord Henry Wotton als Mephistogestalt den faszinierend schönen Dorian dazu, seine Jugend rücksichtslos auszuleben und stattdessen sein von einem Maler geschaffenes Bildnis altern zu lassen. Dorian Gray ist bereit, einen hohen Preis für die ewige Jugend zu zahlen. "Dorian Gray" schockiert das damalige England noch auf eine andere Weise: Oscar Wilde lässt im Text Homosexualität mitschwingen.
Er selbst hat zahlreiche Verhältnisse mit jungen Männern. Seine Liebe zu Alfred Lord Douglas aber läutet seinen Untergang ein. Der Vater des Lords beschuldigt Wilde der "Sodomie", wie homosexuelle Handlungen damals diffamierend genannt werden. Oscar Wilde wehrt sich mit einer Ehrenbeleidigungsklage. Ein sinnloses Aufbäumen auf juristisch wackligen Beinen - und erfolglos.
Im Mai 1895 wird Wilde zu zwei Jahren Zuchthaus mit harter Zwangsarbeit wegen "homosexueller Unzucht" verurteilt. Der Genussmensch verschwindet hinter den dicken Mauern des berüchtigten Gefängnisses Reading Gaol. Als Wilde nach zwei Jahren frei kommt, ist er gesundheitlich, finanziell und gesellschaftlich ruiniert, und als Künstler getilgt. Oscar Wilde existiert nicht mehr.
In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen: